| Christiane Berg |
| 05.11.2020 15:00 Uhr |
Warnung aus Hamburg: Der Hamburger Apothekerverein betont, dass staatliche Regelungen bei der Bewältigung der Folgen der AvP-Pleite problematisch sein könnten. / Foto: Adobe Stock/powell83
Von Unregelmäßigkeiten bei dem Düsseldorfer Rechenzentrum sei schon seit 2018 die Rede. »Niemand konnte und wollte jedoch die tickende Zeitbombe wahrnehmen«, sagte Graue. Nunmehr sei die Ohnmacht der Betroffenen offenbar. »Viel schlimmer noch: Konkrete Hilfe zeichnet sich nicht ab.«
Unklar werde auch bleiben, »wie viele wie lange von der Misere gewusst oder sie sogar geduldet haben«. Ob Unvermögen oder Betrug, ob Missmanagement, veruntreute Gelder oder gefälschte Bilanzen: Es bleibe abzuwarten, was das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren zu Tage fördert. Fest stehe: »Es wurden Warnungen überhört, weil, was nicht sein kann, auch nicht sein darf«, sagte Graue, der auch Vorsitzender des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums – NARZ ist.
Der LAV-Vorsitzende bezeichnete es als »bitter«, dass sich die von verschiedenen Anwälten genährte Hoffnung auf Aussonderung der Rezepte bei einigen Apotheken zugunsten der Insolvenzmasse buchstäblich in Luft aufgelöst habe. Diese sei durch die Erklärung des Insolvenzverwalters zum »Surrogat unerfüllbarer Wünsche« geworden. »Das Spiel ist aus. Und die Geier sind schon unterwegs. Da helfen auch keine Bekundungen oder nutzlose Lippenbekenntnisse«, so Graue.
Er warnte vor dem in Krisenzeiten zwar verständlichen, aber doch gefährlichen Ruf nach dem Staat – zumal »die Malaise, wie jetzt die Insolvenz von AvP, von diesem bewusst in Kauf genommen« werde. Schleichend könnte dieser beginnen, Strukturpolitik mit allen bekannten negativen Begleiterscheinungen und Folgen zu betreiben. Mit jeder Stützungsmaßnahme steige sein Einfluss weiter.
»Der Staat gewinnt an Macht auf Kosten des Individuums und der Eigenverantwortung. Dadurch wird das Fundament einer freiheitlichen, sozialmarktwirtschaftlichen Ordnung unterhöhlt«, warnte Graue. Viele, die wie jetzt im Fall AvP nach der schützenden Hand des Staates rufen, seien sich dessen nicht bewusst, oder schlimmer noch, wollen diesen Prozess noch fördern, sagte er. »Wenn der Staat gerufen wird, kommt er in der Regel, um zu bleiben«, unterstrich Graue.
Der Gesetzgeber habe in § 300 Abs. 2 SGB V festgeschrieben, dass Apotheker zur Rezeptabrechnung Rechenzentren in Anspruch nehmen können, und die Historie zeige, dass die Kontrolle durch Standesgremien – beim NARZ e.V. etwa durch Verwaltungsrat, Vorstand und Rechnungsprüfer – fast ausnahmslos wirksam sei und die Apotheken hinlänglich vor Schäden bewahre.
Zudem hätten die Landesapothekervereine und -verbände, die zur Erleichterung der Rezeptabrechnung für die Krankenkassen eigene Abrechnungsstellen in ihren Häusern einrichteten, dafür keiner staatlichen Regelung bedurft. Dies zeige ein Blick in die Vergangenheit.