| Christiane Berg |
| 05.11.2020 15:00 Uhr |
Später, als die Abrechnungsmodalitäten komplizierter wurden, haben sich regionale Standesrechenzentren herausgebildet, die unter Kontrolle der Gremien der Apothekerverbände die Abrechnung zentralisierten. Damit habe man jedoch nicht ausschließen können, dass auch kommerzielle, nur halbstaatlicher Kontrolle unterliegende Abrechner den Apotheken ihre Dienste anbieten. Der so entstandene Wettbewerb habe den finanziellen Druck auf die Rechenzentren zwangsläufig auch zu Lasten ihrer Sicherheit wachsen lassen. Eine wirtschaftliche Schieflage sei oftmals automatische Folge.
Sicherlich, so Graue weiter, genüge es nicht, dass an Stelle der Kann-Bestimmung im SGB V § 300 Abs. 2 eine Muss-Bestimmung rückt. Daraus ergebe sich keine staatliche Verpflichtung, Schaden zu ersetzen. »Gegen kriminelles Handeln ist kein Kraut gewachsen. Dass auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nur beschränkte Möglichkeiten besitzt, Fehlverhalten im Vorhinein zu sehen, zeigen auch die Vorgänge um Wirecard«, so Graue.
Auch wenn es nicht völlig unmöglich sei: Ein Abtretungs- bzw. Fakturierungsverbot, wie es im § 53 des SGB I Abs. 1 auch für soziale Sachleistungen wiedergegeben ist, lasse sich nur schwerlich im § 300 Abs. 2 SGB V unterbringen. Dabei sei allerdings darauf zu achten, dass kein Nachteil in Form eingeengter Spielräume für die Geschäftsmodelle der Abrechnungszentren eingehandelt wird. »Das Debakel wäre dann perfekt.« Mit einer solchen Vorgabe werde eine Separierung offener Treuhandkonten zwar sicherer, schütze aber nur bedingt vor krimineller Energie.
Gesetzlich vorgeschriebene zeitnahe Kontrollen nicht nur der Verwaltungs-, sondern auch der offenen Treuhandkonten wären demnach ein probateres Mittel, um Unregelmäßigkeiten in einem frühen Stadium zu erkennen. Aber auch hier bleibe die Frage, wer die Kontrolleure kontrolliere. Er sei sich bewusst, dass die Hilfsangebote von Verbänden, Großhandlungen und Banken das Leid der betroffenen Apotheken vordergründig lindern könnten, indem dadurch eine gewisse Solidarität zum Ausdruck komme, fuhr Graue fort. »Helfen kann sich jeder nur selbst in seinen bescheidenen Möglichkeiten.«