Gesundheitskompetenz in der Apotheke stärken |
Dringenden Handlungsbedarf sieht auch Professor Kai Kolpatzik vom Institut für Digitale Gesundheit – SRH University of Applied Sciences Heidelberg und Chief Scientific Officer des Wort & Bild Verlags. Er kritisierte, dass es in Deutschland keinen offenen Umgang mit psychischen Erkrankungen gebe. Zwar würden sieben von zehn Menschen jemanden kennen, der an einer psychischen Störung erkrankt ist oder selbst davon betroffen ist. Darüber zu reden, sei aber immer noch schambehaftet und tabuisiert. »So braucht es durchschnittlich 8,2 Jahre, bis vom Auftreten der ersten Symptome schließlich professionelle Hilfe in Anspruch genommen wird«, sagte Kolpatzik.
9,5 Millionen Menschen seien mit einer Depression innerhalb eines Jahres in Behandlung gewesen, führte er aus. Volkswirtschaftlich gesehen führte die Erkrankung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2022 zu 53,8 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen und Produktions-Ausfallkosten in Höhe von etwa 6,9 Milliarden Euro. Die Behandlungskosten beliefen sich laut Statistischem Bundesamt auf 9,5 Milliarden Euro. Zudem hätten Menschen mit einer Depression eine um zehn Jahre verkürzte Lebenserwartung.
»Psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Besonders Angststörungen und Depressionen nehmen zu«, bestätigte auch Stephanie Engelmann, Mitglied des Vorstands der KKH Kaufmännischen Krankenkasse. Sie forderte ebenfalls, psychische Belastungen von Stigmatisierungen und Rollenklischees zu befreien.
Handlungsbedarf sieht sie zudem bei der Erreichbarkeit und Wartezeiten auf eine Therapie. Wichtig sei, dass Betroffene mit psychischen Erkrankungen schnell und unkompliziert Hilfe bekämen. »Wir müssen in der Gesellschaft gesunde Verhältnisse schaffen, in denen die psychische Gesundheitskompetenz verbessert werden kann. Das erreichen wir über die Stärkung von Prävention und Selbsthilfe, einer öffentlichen Entstigmatisierung und einer noch effektiveren Versorgung und Betreuung von mental Belasteten und psychisch Erkrankten«, sagte Engelmann.
Die Ergebnisse bestätigen nach Einschätzung der Studienautoren eindrücklich, dass die bisherigen Ansätze zur Verbesserung der psychischen Gesundheit in Deutschland nicht hinreichend sind, sodass neue Lösungswege gefunden werden müssen. »Das Problem ist nun manifest«, resümierte Studienautor Okan.