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Nahrungsmittelauswahl

Gesundes Essen attraktiv machen

Der Apotheker Professor Dr. Martin Smollich leitet in Lübeck die Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Uniklinikums Schleswig-Holstein. Im Gespräch mit der PZ verrät er, wie man Patienten zu einer Ernährungsumstellung motivieren kann, und benennt politische Maßnahmen, mit denen die weit verbreitete Fehlernährung bekämpft werden könnte.
Annette Mende
31.03.2019  07:59 Uhr

PZ: Wie schätzen Sie den Stellenwert der Ernährung in der Prävention und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein?

Smollich: Den kann man kaum überschätzen, und das bezieht sich nicht nur auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In Deutschland sind 60 bis 70 Prozent aller chronischen Erkrankungen im Wesentlichen ernährungsbedingt. Deshalb übertrifft die Wirksamkeit einer Ernährungsumstellung in manchen Fällen sogar die von Arzneimitteln. Mit Ernährungstherapie kann man Typ-2-Diabetes oder das metabolische Syndrom in Frühstadien heilen und in fortgeschrittenen Stadien die Prognose wesentlich verbessern.

PZ: Um das Herz-Kreislauf-Risiko zu senken, gelten DASH- und mediterrane Diät als wirksam. Wie hoch ist Ihrer Ansicht nach die Adhärenz von Risikopatienten an diese Ernährungsformen?

Smollich: Die Empfehlungen zu 100 Prozent umzusetzen, schafft kaum ein Patient. Wir können ihnen die Adhärenz aber so leicht wie möglich machen, indem wir ihre Geschmackspräferenzen berücksichtigen. Jemandem, der ohnehin gerne Olivenöl isst und wenig Fleisch, schlagen wir die mediterrane Kost vor. Einem anderen, der kein Olivenöl mag und lieber Fleisch und Kohlenhydrate isst, raten wir dazu, es mit der DASH-Diät zu probieren.

PZ: Reicht das, um Patienten zu einer dauerhaften Umstellung ihrer Ernährung zu bewegen?

Smollich: Es ist ein Anfang. Um die Motivation zu maximieren, muss man aber zusätzlich die psychologischen Ressourcen des Patienten berücksichtigen. Das kann ich in meinem kurzen Gespräch bei Weitem nicht so gut wie ein qualifizierter Ernährungstherapeut, der sich eine ganze Stunde lang Zeit nimmt für die Ressourcensuche.

PZ: Was meinen Sie mit psychologischen Ressourcen?

Smollich: Wenn ein Patient zum Beispiel gerade Enkelkinder bekommen hat, dann kann man das als Motivation nutzen, indem man ihm sagt: Sie wollen doch sicher noch lange in guter Gesundheit leben und sehen, wie Ihre Enkelkinder groß werden. Andere sind eher Sport- und Fitness-orientiert, da kann man argumentieren: Wenn Sie Ihre Ernährung so und so umstellen, können Sie besser Sport machen. Bei Patienten in Partnerschaften kann es sein, dass man den Partner einbeziehen muss. Wenn zum Beispiel ein Mann eine Hypertonie entwickelt, der nie selbst kocht, braucht man ihm nichts über mediterrane Ernährung erzählen, da muss man mit der Frau reden, die sich um die Küche kümmert.

PZ: Wo findet man einen qualifizierten Ernährungstherapeuten?

Smollich: Über die entsprechenden Berufsverbände, beispielsweise den Berufsverband Oecotrophologie (VDOE) und den Verband der Diätassistenten (VDD), oder auch die Krankenkassen.

PZ: Sind diese Ernährungsformen für alle Menschen gleich empfehlenswert oder gibt es individuelle Unterschiede?

Smollich: Es gibt Unterschiede, sogenannte Nutritypen, bei denen sich zum Beispiel der Blutzuckerverlauf nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel deutlich voneinander unterscheidet. Diese haben aber momentan noch keine praktische Bedeutung. Wir forschen darüber und auch in den USA laufen Studien dazu.

PZ: Wie kann man diese Nutritypen ermitteln, wie berücksichtigen?

Smollich: Im Moment bezieht sich das noch ausschließlich auf den Zucker. In den Studien bekommen verschiedene Menschen das gleiche Lebensmittel, zum Beispiel eine Banane oder einen Keks, und dann wird der Blutzuckeranstieg gemessen. Da sieht man, dass die gleichen Lebensmittel bei verschiedenen Menschen zu unterschiedlichen Blutzuckeranstiegen führen. Das Ziel ist, davon ausgehend personalisierte Empfehlungen auszusprechen. Am Ende wollen wir anhand bestimmter Parameter, beispielsweise der Darmbakterien, voraussagen können, welches Lebensmittel für diesen Nutrityp am besten geeignet ist.

PZ: Da kann man nur hoffen, dass das dem Menschen dann auch schmeckt.

Smollich: Ja, aber es wäre eine tatsächlich individuell angepasste Empfehlung. Wir erhalten eine Rangliste, da steht dann an Platz 1 nicht nur eine Avocado und sonst nichts, sondern das sind Gruppen von bis zu 15 Lebensmitteln. Und dann ist wieder individuelle Beratung gefragt, denn von diesen 15 Lebensmitteln schmecken dem Patienten vielleicht nur fünf. Diese fünf versucht man dann, zu guten und ausgewogenen Gerichten zusammenzubasteln.

PZ: Auch der Salzkonsum ist ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit dem Blutdruck. Wie kann man herausfinden, ob man salzsensibel ist?

Smollich: Eigentlich nur durch Ausprobieren. Wenn man bei erhöhtem Blutdruck konsequent das Salz reduziert und das hat innerhalb von etwa vier bis sechs Wochen keinen Effekt, dann ist man anscheinend nicht salzsensitiv.

PZ: Jeder Einzelne kann seine Ernährung selbst bestimmen. Wenn die individuellen Anstrengungen, sich gesund zu ernähren, aber versagen, welche sinnvollen politischen Maßnahmen gibt es, um die Situation auf Bevölkerungsebene zu verbessern?

Smollich: Das ist eine traurige Geschichte, denn alles, worüber wir bis jetzt gesprochen haben, ist ernährungswissenschaftlich sehr gut untersucht und belegt. Man braucht dazu keine medizinischen Studien mehr. Deshalb ist das Politische, die Verhältnisprävention, das Entscheidende. Die Gesamtsituation muss sich verändern, und hierfür bräuchte es mindestens vier politische Maßnahmen.

Erstens müsste man steuerlich etwas machen, indem man eine Zuckersteuer und/oder besser eine Steuer auf hochverarbeitete Lebensmittel einführt und gleichzeitig die Mehrwertsteuer beispielsweise auf Obst und Gemüse abschafft – Stichwort: gesunde Mehrwertsteuer. Zweitens brauchen wir einen gesetzlich definierten Höchstgehalt für Transfette in Lebensmitteln, wie er schon in vielen anderen Ländern eingeführt wurde. Drittens bräuchte man ein Verbot von an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung, denn die entscheidende metabolische Prägung findet in den ersten zwei bis drei Lebensjahren statt. Und das Vierte: Es bräuchte verbindliche Qualitätsstandards für die Ernährung in Gemeinschaftseinrichtungen, zum Beispiel Kitas, aber auch für Krankenhäuser, Altenheime und Kantinen. /

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