Geschlossener Hilferuf aus Thüringen |
Melanie Höhn |
01.11.2023 13:25 Uhr |
Dazu erklärte Verbandschef Fink: »Ein Drittel der Apotheken sind Stand heute in ihrem Bestand wirtschaftlich gefährdet. Elf Prozent schreiben sogar rote Zahlen und sind in ihrer Existenz akut bedroht. Wir fordern eine entsprechende Erhöhung unserer Honorierung für eine auskömmliche Vergütung unserer Leistungen!«
Ulf Zitterbart, Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Thüringen, ergänzte: »Wir fordern eine Reform der Versorgungsstrukturen, eine Förderung der vorhandenen Strukturen und keine neue Zerstückelung durch Gesundheitskioske sowie die Abschaffung sämtlicher Regresse«. Menschen würden beispielsweise in Gera und Umgebung verzweifelt nach ärztlichem Beistand suchen, weil dort 14 Hausärztinnen und Hausärzte fehlen. Dies bedeute, dass etwa 22.000 Menschen keinen Anlaufpunkt für akute und chronische Beschwerden im hausärztlichen Bereich haben. »Wo sonst Hilfe geleistet wird, erfolgen nun Notversorgung, rettungsdienstliche Einsätze oder Zuweisung in überfüllte Krankenhäuser. Wir fordern ein Umdenken der Politik mit Förderung der ambulanten Praxis-Teams, eine am Bedarf orientierte Steuerung der Versorgung und die stärkere Orientierung auf gesundheitliche Primärversorgung«, so Zitterbart.
Auch Denise Lundershausen von der Gemeinschaft Gebietsärztliche Berufsverbände Thüringen machte in ihrer Rede deutlich, dass die Sicherstellung der ambulanten Versorgung der Patientinnen und Patienten in Thüringen »hochgradig auf dem Prüfstein« steht. »Wir können nicht mehr, unsere Kräfte gehen zur Neige. Ich glaube alle wissen: Wir sind am Limit«, kritisierte sie. Viele Kolleginnen und Kollegen hätten keine Lust mehr, »in diesem Hamsterrad« zu arbeiten. »Alle Teams sind hoch motiviert, ihre Arbeit qualitativ hochwertig durchzuführen, aber die Bedingungen demotivieren uns einfach: die rasant steigenden Kosten für Material, Instrumente, Lohn oder die Anforderungen an Hygiene und Medizinprodukte lassen uns in Praxen und Apotheken austrocknen. Die Umsätze können mit den explodierenden Kosten einfach nicht standhalten«, so Lundershausen.
»Wir müssen gegen die geballte Ignoranz von Minister Lauterbach wehren. Eine Ambulantisierung kann nicht funktionieren, wenn sie von der Politik, den Kassen ohne uns Niedergelassene, Apotheken und Zahnärzte gedacht wird. Das riesige Potenzial an Know-How, was wir alle mitbringen, muss genutzt werden. Es kann nicht nur an die Kliniken gedacht werden«, sagte sie. Sie fordert eine sinnvolle Digitalisierung, die Abschaffung der überbordenden Bürokratie, eine adäquate leistungsgerechte Finanzierung und Entbudgetierung, Gesundheitserziehung der Patientinnen und Patienten, Anerkennung und Respekt für die tägliche Arbeit und ein faires Miteinander als gleichberechtigte Partner im Ambulantisierungsprozess zusammen mit den Kliniken. »18 Millionen Behandlungsfälle im Jahr allein in Thüringen im ambulanten Setting sprechen für sich«, so Lundershausen.
Hannelore König, die für die Apothekengewerkschaft Adexa und den Verband medizinischer Fachberufen sprach, kritisierte ebenfalls die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. »Es geht so nicht weiter. Statt Stärkung wie im Koalitionsvertrag versprochen, gab es neue Spargesetze, mehr Bürokratie und eine nicht funktionierende Digitalisierung. Wo bleibt sie endlich?«, so König. Aber auch die Landespolitik sei gefragt: »Wir brauchen eine Fachkräftestrategie, die unsere Berufe endlich mehr stärkt und ihnen Perspektiven aufzeigt«, erklärte sie weiter. Knut Karst von der Kassenzahnärztliche Vereinigung betonte die Dringlichkeit von Nachwuchsförderung, der Niederlassungsförderung und der Schaffung von Studienplätzen für Zahnärztinnen und Zahnärzte.