Geringer Schutz vor SARS-CoV-2-Reinfektion |
| Theo Dingermann |
| 18.02.2025 11:00 Uhr |
Das Virus SARS-CoV-2 hat sich seit dem ersten Auftauchen 2019 rasch entwickelt. Die aktuelle Omikron-Variante ist auf Immunflucht spezialisiert. / © Getty Images/CROCOTHERY
Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich in kurzer Zeit immer wieder verändert und weiterentwickelt, um einen mit der Zeit den immer besser werdenden Immunschutz in der Bevölkerung zu unterlaufen und immer besser in die Zellen einzudringen. So entstanden leichter übertragbare Varianten, vor allem die Alpha- und Delta-Varianten.
Das Auftreten der Omikron-Variante markierte eine bemerkenswerte Zäsur. Mit Omikron hatte das Virus nicht nur auf einen Schlag eine Vielzahl von Mutationen im Spike-Gen erworben. Seitdem wurden auch keine so relevanten Veränderungen mehr detektiert, dass eine neue Klade hätte definiert werden müssen.
Weniger bekannt sind andere Auswirkungen, die Omikron auf die Immunevasion, die Schwere der Erkrankung und die Wirksamkeit von Impfstoffen und Behandlungen von Covid-19 verursacht hat, wie Forschende um Professorin Dr. Hiam Chemaitelly von der Infectious Disease Epidemiology Group am Weill Cornell Medicine-Center in Katar, einer Einrichtung, die aus einer Kooperation der Cornell University und der Qatar Foundation hervorgegangen ist, jetzt zeigen. Die Resultate ihrer Arbeit publizierten die Forschenden jüngst im Wissenschaftmagazin »Nature«.
Basierend auf einer Fall-Kontroll-Studie quantifizierten die Forschenden die Schutzwirkung früherer Infektionen gegen Reinfektionen in der Bevölkerung Katars. Infektionen, die über einen positiven SARS-CoV-2-Test verifiziert worden waren, wurden mit Kontrollen, deren SARS-CoV-2-Tests negativ ausgefallen war, hinsichtlich des Geschlechts, Alters, der Nationalität, Vorerkrankungen und Impfstatus der Probanden sowie hinsichtlich der Kalenderwoche der Testung sowie Testmethode (PCR oder Antigentest) exakt gematcht. Die Schutzwirkung wurde in diesen Populationen für symptomatische und asymptomatische Reinfektionen sowie für schwere Verläufe untersucht.
Es zeigte sich, dass in der Prä-Omikron-Ära die Schutzwirkung einer Infektion vor einer Reinfektion mit demselben Virustyp mit im Mittel 81,1 Prozent sehr hoch war und dass über ein Jahr hinweg nur minimale Abschwächung zu detektieren waren. Eine frühere Infektion schützte zudem nahezu vollständig vor schweren Covid-19-Verläufen (98,0 Prozent).
Mit dem Auftreten von Omikron änderte sich dieses Muster drastisch. Obwohl der Schutz nach einer Omikron-Infektion vor einer erneuten Omikron-Infektion initial mit 81,3 Prozent in den ersten drei bis sechs Monaten ebenfalls sehr hoch war, fiel er jedoch nach einem Jahr auf nahezu null (4,8 Prozent). Dennoch blieb der Schutz vor schweren Verläufen bei Reinfektionen mit Omikron praktisch komplett erhalten.
Die beobachteten Unterschiede zwischen Prä-Omikron- und Omikron-Ära deuten auf einen Wandel in den evolutionären Selektionsmechanismen hin: Während in der Prä-Omikron-Phase für das Virus die Übertragbarkeit eine dominierende Rolle spielte, steht seit Omikron die Immunflucht im Vordergrund. Offensichtlich wirken beim Immunschutz gegen SARS-CoV-2 die Immunität des Wirts und die virale Evolution zusammen, was zu gegensätzlichen Reinfektionsmustern vor und nach dem Auftreten von Omikron führt.
Die rasch abnehmende Immunität gegen Reinfektionen in der Omikron-Ära unterstreiche die Notwendigkeit regelmäßiger Impfstoffanpassungen, schreiben die Autoren. Immunologische Mechanismen wie Antigen-Imprinting und T-Zell-vermittelte Immunität tragen zur langfristigen Schutzwirkung gegen schwere Verläufe bei, während humorale Immunantworten schneller an Effektivität verlieren.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.