Genforschung und Gesellschaft |
Wie wollen wir leben? Die Ausstellung zeigt, wo und wie die Genforschung heute in kulturelle, soziale und politische Zusammenhänge hineinwirkt. / Foto: Foto: Sebastian Kahnert
»Vor ein paar Jahren twitterte der Entertainer Thomas Gottschalk: ›Habe meine DNA aufschlüsseln lassen. Afrika war ja klar. Aber über 50 Prozent Osteuropäer. Deswegen habe ich als Kind so geklaut.‹« Tino Plümecke, Wissenschaftssoziologe an der Universität Freiburg, zitiert diesen Tweet von 2018 im Begleitbuch (Wallstein Verlag, ISBN: 978-3-8353-5386-2; EUR 20) zur kürzlich in Dresden eröffneten Ausstellung »Von Genen und Menschen. Wer wir sind und werden könnten«. Und führt damit mitten hinein eine Auseinandersetzung über methodische und ethische Aspekte genetischer Verfahren – in diesem Fall kommerzielle genetische Herkunftstests. Gottschalks DNA-Test wurde viel diskutiert, hauptsächlich ging es dabei darum, wie seine rassistische Äußerung über Osteuropäer zu bewerten ist.
Anders als 1998 haben die Dresdner Ausstellungsmacher diesmal einen konsequent sozial- und kulturwissenschaftlichen kuratorischen Zugang zu einem sonst eher naturwissenschaftlichen Themenfeld gewählt. »Die Ausstellung handelt von Beziehungen zwischen Genforschung und Gesellschaft«, erklärt Kuratorin Viktoria Krason. Zentrales Anliegen ist, den aktuellen Wissensstand zu vermitteln, dabei aber problematische Seiten nicht zu verschweigen.
Welche Handlungsmöglichkeiten und -zwänge bringt das genetische Wissen mit sich? Inwieweit führt es zu neuen Formen der Stigmatisierung und Diskriminierung? Welche Auswirkungen hat es auf die Menschheit, wenn mit Gentechnologien in das Genom eingegriffen werden kann?
Diese Fragen ließen sich nicht mit dem Wissen und den Mitteln einer einzigen Disziplin beantworten, gibt Krason zu bedenken. So beleuchtet die Ausstellung aus einer interdisziplinären Perspektive, welche gesellschaftlichen Debatten die Genforschung auslöst und ob das technisch Machbare immer auch das ethisch Vertretbare ist. Beiträge und Objekte aus der Archäogenetik, der Medizinethik und Molekularbiologie nähern sich dem Thema ineinandergreifend ebenso wie die Politik-, Sozial- und Kulturwissenschaft, die Theologie und Geschlechterforschung.