Gemeinsam handeln für den Pharmastandort Deutschland |
Ev Tebroke |
15.05.2024 18:00 Uhr |
Es gehe darum, endlich Misstrauen abzubauen, betonte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Die Politik spiele das Misstrauen der einzelnen Akteure gegeneinander brillant aus, stellte sie fest. Hier gelte es einzuhaken: »Wir müssen beginnen, eine Vertrauenskultur zu entwickeln.« Als Beispiel führte sie die gute Zusammenarbeit von Apotheker- und Ärzteschaft im ARMIN-Projekt, der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, an. Durch die enge Verzahnung von Arzt und Apotheker gelang es, die Arzneimitteltherapiesicherheit von multimorbiden Patienten massiv zu erhöhen. Laut Overwiening wurde die Sterblichkeitsrate um 16 Prozent gesenkt. Die Politik sei begeistert gewesen von den Ergebnissen und habe gesagt: »Dann macht es doch!« Aber was geschah? Nichts. Die Politik habe keine rechtliche Grundlage geschaffen, kritisierte die ABDA-Präsidentin.
Angesichts der drängenden Probleme in der Versorgung gehe es grundsätzlich darum, kreativ werden zu dürfen, um pragmatisch und im Sinne des Patienten versorgen zu können. Auch beim Thema Lieferengpässe verhindere die Misstrauenskultur eine bessere Handhabe. Als Beispiel nannte sie etwa, dass bei Lieferengpässen die Apotheken nach wie vor nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt auf eine andere Darreichungsform des verordneten Präparats ausweichen dürften.
Grundsätzlich betonte Overwiening die wichtige Rolle der stationären Apotheke angesichts ihrer Expertise in der Arzneimittelversorgung. Sie sei wichtige Säulen der Infrastruktur und des sozialen Friedens. Doch dies werde leider zu wenig wertgeschätzt. Die Leistung der Apotheken werde wie »Strom aus der Steckdose« wahrgenommen. Selbstverständlich und immer verfügbar. Angesichts des wirtschaftlichen Drucks und dem daraus resultierenden Trend zu immer mehr Apothekenschließungen steht aus Sicht der Apothekerschaft jedoch die flächendeckende Versorgung mittelfristig auf dem Spiel.
Vertrauen und mehr Wertschätzung in Form von politischen Reformen fordert auch die Pharmaindustrie. »Es braucht einen Paradigmenwechsel und mehr Vertrauen in die pharmazeutischen Unternehmen«, so Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI. Damit der pharmazeutische Mittelstand wieder besser aufgestellt ist, brauche es etwa endlich ein Ende des seit fast 15 Jahren währenden Preismoratoriums. Neun von zehn Unternehmen hätten hierzulande weniger als 500 Mitarbeiter. Diese Unternehmen seien besonders von den starken Preisregulierungen und dem hohen Kostendruck betroffen. Wenn der Standort Deutschland nicht attraktiver würde, sei es kein Wunder, wenn Unternehmen abwanderten. »BMW produziert hier auch keine Autos mehr, wenn sie hier nicht verkaufen.«
BPI-Chef Oliver Kirst unterstrich ebenfalls den politischen Appell zum Handeln: Die Probleme für den Gesundheitswirtschaftsstandort Deutschland seien der Politik bewusst. »Es kommt jetzt darauf an, in die Umsetzung zu gehen.« Um den Standort zu stärken beziehungsweise die Produktionsbedingungen vor Ort zu erhalten, erwartet er Änderungen etwa im Vergaberecht. Arzneimittel dürften nicht mehr nur als Kostenfaktor gesehen werden. Es brauche eine zwingende Mehrfachvergabe unter Berücksichtigung des Standorts EU. Hier pocht der BPI auf sein sogenanntes 4-3-2-1-Modell: Rabattverträge erst ab vier Marktteilnehmern; mindestens drei müssen einen Zuschlag erhalten; davon müssen zwei von unterschiedliche Lieferanten Wirkstoffe beziehen; und ein bezuschlagter Hersteller muss in der EU produzieren. Darüber hinaus sollten kritische Wirkstoffe gar nicht ausgeschrieben werden dürfen. Diese Änderungen im Vergaberecht seien ein erster richtiger Schritt zur Standortförderung und mehr Versorgungssicherheit.