Gematik-App soll Foto-Funktion bekommen |
Die E-Rezept-App der Gematik soll übergangsweise auch ohne NFC-Registrierung genutzt werden können. / Foto: picture alliance/dpa
Mit dem Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) hat der Bundestag im Juli 2020 das Grundgerüst des neuen E-Rezept-Systems beschlossen. Unter anderem heißt es dort, dass für die E-Rezept-Übermittlung an Apotheken die Dienste der Telematik-Infrastruktur (TI) zu nutzen sind. Außerdem wurde die Gematik verpflichtet, Komponenten zu entwickeln, mit denen die E-Verordnungen innerhalb der TI weitergeleitet werden können. Die Gematik entwickelte anschließend eine Smartphone-App, mit der die Patienten die für sie erstellten E-Rezepte an eine Apotheke weiterleiten, die sie sich entweder über einen Standort-Finder oder über eine Apothekenliste aussuchen.
Das Problem an dieser App ist nach wie vor das überkomplexe Registrierungsverfahren, das gewählt wurde, um sicherzustellen, dass die E-Rezept-Codes datenschutzkonform weitergeleitet werden. Die Versicherten müssen sich mit Hilfe einer NFC-fähigen Gesundheitskarte identifizieren, die ans Smartphone gehalten wird. Allerdings sind diese Karten nicht annähernd flächendeckend ausgeteilt. Und so ist man derzeit auf der Suche nach sicheren, alternativen Wegen zur E-Rezept-Übermittlung, damit die Code-Ausdrucke auf Papier nur eine Übergangslösung sind. Kürzlich wurde bekannt, dass Patienten die EGK in der Apotheke schon bald als Schlüssel nutzen können, um Apotheken den Zugriff auf die E-Rezepte zu ermöglichen.
Aber nach Informationen der PZ arbeitet die Gematik derzeit intensiv an einem Verfahren, mit dem die Vorteile der Gematik-App auch ohne komplizierte NFC-Registrierung genutzt werden können. Das Verfahren könnte insbesondere in den ersten Monaten und Jahren des E-Rezeptes dafür sorgen, dass die Einführung des neuen Verordnungssystems vorankommt, weil geplant ist, die voraussichtlich zahlreich entstehenden Papierausdrucke in der Gematik-App einzuscannen. Konkret sollen die Versicherten den E-Rezept-Code mit der App einscannen und dann aus dem Apothekenverzeichnis hinter der Gematik-App oder über die Standort-Suche die Apotheke der Wahl mit der Belieferung beauftragen.
Mit Blick auf die aktuelle Diskussion rund um die Datensicherheit des E-Rezeptes verwundert dieser Vorstoß der Gematik etwas. Denn: Die Landesdatenschützerin Schleswig-Holsteins, Marit Hansen, hatte in ihrer Kritik am E-Rezept-Weiterleitungsverfahren im Pilotprojekt ausdrücklich die Foto-Funktionen der Apps von Apotheken-Plattformen und Versandhändlern kritisiert. Hansen wies darauf hin, dass es in einigen Apps möglich ist, nach dem Scannen des Codes alle Rezept- und Personendaten einsehen zu können. Insofern stellt sich die Frage, wie die Gematik sicherstellen will, dass auch ohne NFC-Registrierung und somit ohne Nutzung des zentralen E-Rezept-Fachdienstes (Servers) sichergestellt werden kann, dass nur der Versicherte selbst seine Verordnungen einsehen kann.
Nach PZ-Informationen ist geplant, dass sich die Apotheken gewissermaßen digitale Postfächer einrichten. An die TI angeschlossene Apotheken – somit auch die EU-Versender – sollen über ihre Software-Systeme ein solches Postfach einrichten, in dem die verschlüsselten E-Rezept-Codes der Versicherten abgelegt werden können. Je nach Software-System könnte dies das Postfach auch direkt integriert anbieten. Betreiber dieser Postfächer könnten beispielsweise die Softwarehäuser selbst sein, aber auch andere Dienstleister – die Gematik will dazu nach den ersten Plänen keine Vorgaben machen. Sobald die Apotheke den Token über das Postfach abgerufen und mittels der SMC-B-Karte entschlüsselt hat, kann sie via Konnektor den E-Rezept-Fachdienst kontaktieren und die dahinterliegenden Verordnungsinformationen einsehen, um das Arzneimittel zu beliefern.
Da sich die Versicherten bei dieser Lösung nicht in der App registrieren, müssen sie aber mit Einschränkungen im Vergleich zur Vollversion leben. Konkret wird es so nicht möglich sein, Rezept-Details und Protokollinformationen eines E-Rezeptes einzusehen, ebenso ist das Löschen von E-Rezepten nicht möglich. Die Kommunikationsmöglichkeiten mit der Apotheke werden auch eingeschränkt sein. Allerdings: Eine Freitext-Nachricht an die Apotheke der Wahl und die Einsicht von Kontaktinformationen der Apotheke sind auch in dieser Lösung vorgesehen.
Auf Nachfrage der PZ stellte die Gematik-Sprecherin klar, dass die neue Funktion nur als Übergang gedacht ist, bis die NFC-Funktion flächendeckend vorhanden ist: »Wir gehen aktuell davon aus, dass bisher nur wenige gesetzlich Versicherte mit NFC-fähiger eGK und PIN ausgestattet sind und somit die App nicht vollständig nutzen können. Daher wird die neue Funktion als Übergangslösung entwickelt und angeboten.« Datenschutzbedenken gebe es bei der Scan-Funktion in der Gematik-App nicht. Schließlich werde eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bis zum Apotheker (zertifikatsbasierte Verschlüsselung) verwendet.
Die technische Beschreibung, also die Spezifikation dieser Lösung, könnte noch im September stehen. Um das Verfahren schnellstmöglich umzusetzen, werden zudem Anpassungen in der Gematik-App und Anpassungen der Warenwirtschaftssysteme erforderlich sein. Die Anpassungen und Vorbereitungen in der App sollen laut Gematik noch in diesem Jahr beginnen. Die Gematik stellte auf PZ-Nachfrage auch klar, dass die E-Rezept-Einlösung via EGK höher priorisiert werde, die neue Funktion werde sich also zeitlich unterordnen müssen. »Daher gehen wir von ersten unterstützenden Warenwirtschaftssystemen ab Mitte 2023 bzw. im Laufe des zweiten Halbjahres 2023 aus«, so die Sprecherin.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.