Gematik: Apotheken bis Ende Juni E-Rezept-ready |
Gematik-Produktmanager Hannes Neumann ist zuversichtlich, dass bis Ende Juni fast alle Apotheken ein E-Rezept annehmen können. Allerdings braucht es hierfür nicht nur die technische Ausstattung, sondern auch das Know-how bei allen Mitarbeitern. / Foto: PZ/Kurz
Alle Zeichen stehen derzeit auf E-Rezept. Erst vor Kurzem erklärte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) sich zum Digitalminister, die EU setzt außerdem bald auf eine grenzübergreifende E-Rezept-Einlösung und die flächendeckende Einführung der digitalen Verordnung steht in Deutschland auch in wenigen Monaten an. Wie der aktuelle Stand in der Testphase bei den Apotheken, Arztpraxen und Software-Herstellern aussieht, erläuterte Hannes Neumann, Produktmanager von der Gematik, beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern in Rostock am Mittwoch.
Zum Stand 4. Mai seien inzwischen 13.167 E-Rezepte dispensiert worden. Die Abrechnung dieser E-Rezepte folge in einigen Wochen Verspätung, so Neumann. Das Tempo liegt derzeit bei 1000 E-Rezepten, die alle vier Arbeitstage von Ärzten verordnet werden. Das sei zwar noch im Promillebereich im Vergleich zu den Verordnungszahlen insgesamt, aber immerhin ein Anfang. Neumann geht außerdem davon aus, dass dieses Tempo bald steigen wird.
Technisch sind mittlerweile 9000 Apotheken in der Lage, ein E-Rezept einzulösen. Das bedeutet, die Hälfte aller Apotheken hat alle technisch notwendigen Komponenten installiert und die entsprechenden Updates von ihren Systemherstellern bereits erhalten. Allerdings sage diese Zahl nichts darüber aus, ob die Apotheken auch wirklich alle E-Rezept-ready sind, also geschultes Personal haben, die die digitalen Rezepte auch annehmen können, so Neumann. Wichtig sei außerdem, die Funktion in den entsprechenden Apps (Gematik-App und Verbände-App) zu setzen, dass die Apotheke E-Rezepte annehmen könne. Erst dann werde sie dort auch gelistet und hat eine größere Chance, auch gesehen und besucht zu werden. Eine entsprechende Checkliste habe die Gematik erstellt, die Apotheken für das »Onboarding« nutzen können .
Von den Software-Herstellern hatten bereits Noventi und Pharmatechnik ihre Systeme bundesweit ausgerollt. CGM Lauer soll diesen Monat folgen und ADG sei ebenfalls aktuell beim Roll-Out. Neumann geht deshalb davon aus, dass zum Ende dieses Quartals, also bis Ende Juni, die entsprechende Abdeckung der Apotheken bei 90 bis 100 Prozent liegen wird.
Weiter hätten inzwischen zwei Drittel aller Krankenkassen bereits E-Rezepte erhalten, bei den Ärzten sind vor allem die Zahnarztpraxen Vorreiter. 22.000 Zahnarztpraxen befinden sich derzeit in der Lage, E-Rezepte zu erstellen. Bei den anderen Praxen seien es rund 10 bis 20 Prozent, genauer könne es die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) derzeit nicht eingrenzen, betonte Neumann. Erst kürzlich sprach er sich auf der Digital-Health-Messe »DMEA« dafür aus, dass Ärzte und Apotheker beim Thema E-Rezept gut miteinander sprechen sollten. »Das E-Rezept muss man mal ausprobieren. Wie funktioniert das mit der Signatur? Wie komfortabel lässt sich das in den Arbeitsalltag integrieren?«, sagte er dort. Die Gematik fokussiere diesen Dialog zwischen Arzt und Apotheker und empfehle ein Test-E-Rezept in lokalem Umfeld.
Neumann kündigt außerdem beim Wirtschaftsseminar an, dass in der kommenden Woche die Gesellschafterversammlung der Gematik tage. Diese werde unter anderem die zeitliche Abfolge der E-Rezept-Einführung beraten und festlegen, so Neumann.
Auch Frank Diener von der Treuhand Hannover richtete den Fokus in seinem Bericht auf das E-Rezept. Der Betriebswirt hatte einige konkrete Tipps für die Apotheker parat: Dabei unterschied er zwischen Pflicht und Kür, also Aufgaben, die Apotheker in seinen Augen unbedingt angehen müssten, sowie Vorhaben, die sie optional umsetzen könnten. Hinsichtlich des E-Rezepts empfahl Diener, dass jeder Apotheker die Abläufe bezüglich des E-Rezepts verstehen muss. Zudem sollten Apotheker auch das gesamte Personal in der Apotheke diesbezüglich schulen, so dass jeder das digitale Rezept auch am HV-Tisch annehmen könne. Weiter rät er, dass sich Apotheken auch als Testapotheke bei der Gematik akkreditieren lassen könnten.
Frank Diener von der Treuhand Hannover findet, dass Apotheken sich schon jetzt mit dem E-Rezept beschäftigen müssen. / Foto: PZ/Kurz
Zu den Kür-Aufgaben zählte Diener, die Apotheken-Webseite so zu gestalten, dass die Kunden auch bei der Apotheke vor Ort landen. Auch lohne es sich, sich bereits jetzt Gedanken zu machen, wie die Apotheke ihren Patienten die Funktionsweise des E-Rezepts sowie die dazugehörenden Apps erklären wolle. Hier könnte die Apotheke einen Tisch in der Offizin bereitstellen und etwa einen Schüler entsprechend schulen, der alle Fragen der Kunden beantworten kann. Auch ein Portfolio-Check sei eine optionale Aufgabe, die sich lohnen könnte. So könnte die Einführung eines Botendienstes etwa gut sein, um in den entsprechenden Apps gelistet zu sein und so attraktiver für die Patienten zu werden. Wer heute etwas bestellt, erwarte außerdem eine direkte Bestellbestätigung, die bestätigt, dass der Auftrag, also das E-Rezept, bearbeitet wird. Apotheker müssten sich jetzt Gedanken darüber machen, wie so etwas in der Apotheke umgesetzt ist. »Wenn sich das Kundenverhalten, dann sind auch sie gefordert und müssen sich anpassen«, mahnte Diener.
Außerdem stellte Diener bezüglich der Corona-Sondereffekte weitere konkrete Zahlen vor. Er sagte, diese Effekte seien nur temporär zu beobachten. Zudem betonte er, dass die Corona-Quote bei Apotheken mit einem niedrigeren Betriebsergebnis tendenziell höher war. Das bedeutet, dass für Apotheken mit weniger Umsatz die Corona-Einnahmen deutlicher zu Buche schlugen, als dies bei größeren Apotheken der Fall war. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern sei außerdem jede 6. Apotheke bezüglich der Umsatzrendite (Anteil des Betriebsergebnisses am Nettoumsatz) in einem betriebswirtschaftlich kritischen Bereich. Bei 16,4 Prozent der Apotheken im Nordosten Deutschlands liege demnach das Betriebsergebnis bei weniger als 4 Prozent des Nettoumsatzes, damit hätten sie »kaum Wasser unterm Kiel«.
Trotz Corona-Effekten schließen weiterhin viele Apotheken, in Mecklenburg-Vorpommern sind es jährlich etwa ein Prozent, klärte Diener weiter auf. Damit ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern allerdings etwas besser als im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, dort waren es 2021 etwa 1,6 Prozent aller Apotheken, die schließen mussten.
Die Apotheken spüren dabei auch die derzeit hohe Inflationsrate. Schon vergangenes Jahr lag die apothekenspezifische Inflationsrate in Mecklenburg-Vorpommern bei 7,6 Prozent. Diese Rate kann monatlich im internen Bereich der Treuhand eingesehen werden, erläuterte Diener. Sie gibt Aufschluss darüber, inwiefern Apotheken von der aktuellen Inflation betroffen sind. Auch die Arbeit wird aufgrund des Personalmangels knapper, was sich wird auf die Leistungen auswirkt. Insgesamt sei für dieses und nächstes Jahr bezüglich dieser Faktoren eine Personalkostensteigerung von 10 Prozent zu erwarten, prognostizierte Diener.
Auch ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold war beim Wirtschaftsseminar in Rostock zu Gast. Er betonte, auf die Apotheken wirke gerade viel Druck ein, nicht nur von Seiten der Politik etwa mit möglichen Spargesetzen. Auch weitere Wettbewerber und Marktteilnehmer wie Versandapotheken oder Lieferdienste setzen die Apotheken derzeit stark unter Druck, betonte Arnold. Deshalb sei es um so wichtiger, dass die Apotheker weiterhin bei ihren Kunden punkten. Und das gehe laut Arnold vor allem mit Vertrauen. »Vertrauen durch Nähe« sei das Motto, das sich die Apotheker verstärkt auf die Fahne schreiben müssten.
Gerade Fachwissen sei etwa auch durch das Internet schnell anzueignen und auch in logistischen Fragen könnten sicher auch andere gute Arbeit leisten. Apotheken müssten daher vor allem mit Empathie, Individualität und Nähe gegenüber ihren Kunden punkten, so Arnold. Wichtig sei etwa, ein Erlebnis in der Apotheke zu schaffen, in dem die Apotheker etwas über das Medikament erzählen sowie dessen entsprechende Bedeutung für die Patienten in ihrer jeweiligen Lebenssituation. Auch die Verknüpfung zwischen Online- und Offline-Angeboten sei wichtig, damit die Apotheke überall gut erreichbar sei. Aber auch über weitere Angebote wie Wellness oder Dienstleistungen können sich die Apotheke profilieren. »Wir müssen optimistisch in die Zukunft gehen und das angehen«, betonte Arnold.