»Gefragt wie nie, bedrängt wie nie« |
In der Nachkriegszeit gegründet, habe sich der BFB in Frieden, Freiheit, Sicherheit und ständig steigendem Wohlstand entwickeln können, den es in Europa nie gegeben habe, betonte der scheidende BFB-Präsident Friedemann Schmidt. Der Ehrenpräsident der ABDA bezeichnete dies als »Glücksfall in der deutschen und in der europäischen Geschichte«.
Die 1,5 Millionen Selbstständigen in Deutschland tragen laut Schmidt heute nicht nur 10 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Sie seien auch bei der Bewältigung aktueller Krisen ganz vorn dabei – sei es bei der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe im Ahrtal oder zuletzt bei der Integration ukrainischer Flüchtlinge infolge des russischen Angriffskriegs.
Aber auch hierzulande sieht Schmidt mit Bedauern in der Gesellschaft »nicht gekannte Aggressionen« – Rechtsextreme, die von Deportationen faselten, die Forderung nach einem Kalifat aus der Ecke radikaler Islamisten sowie ein Linksextremismus mit Tendenzen zum Antisemitismus. »Ich bin dankbar für eine klare Haltung der freien Berufe gegenüber Extremismus und Antisemitismus«, so Schmidt.
Denn für die Feinde der demokratischen Ordnung seien auch die Selbstständigen ein Teil des Systems. Deswegen brauche es jetzt eine »Mobilisierung für die Demokratie und die offene Gesellschaft«, so Schmidt. »Jeder Angriff auf Wahlkämpfer ist ein Angriff auf uns. Wir stehen an der Seite der demokratischen Parteien.«
Auch forderte in diesem Zusammenhang die Unterstützung des Gesetzgebers ein: »Wir benötigen einen politischen Kurs, der uns nicht beschränkt.« Die Freiberufler seien »gefragt wie nie, bedrängt wie nie«. Die Strukturen würden bewusst »auf Verschleiß gefahren«, und damit sei nicht nur die Infrastruktur gemeint, sondern eben auch die Bedingungen für Freiberufler. Laut Schmidt steht in diesen Tagen die »Weichenstellung für oder eben gegen die Freiheit« an. Sein Credo zum Abschluss seiner Amtszeit als BFB-Präsident: »Das Glück der Freiheit ist jeden Einsatz wert.«
Die BFB-Mitgliedsorganisationen haben nun Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), als neuen Präsidenten gewählt. Er wird nun für die kommenden drei Jahre die Geschicke des Verbands lenken.
Zwischen 1999 und 2013 war Hofmeister in eigener hausärztlicher Praxis in Hamburg niedergelassen und zwischen 2014 und 2017 stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, bevor er in den Vorstand der KBV kam. Er will sich nach eigenen Angaben »kraftvoll und mit Leidenschaft bei der Politik und in der Öffentlichkeit für die Interessen der Freien Berufe stark machen«. Nur so könne man die »wertvollen und unverzichtbaren Potenziale« entfalten.
In ihrer Rede bedankte sich Manuela Schwesig (SPD), amtierende Bundesratspräsidentin sowie Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, zunächst bei den Vertreterinnen und Vertretern der freien Berufe. »Ihre Arbeit ist wichtig und sorgt für ein gutes Leben in unserem Land«, betonte sie. Für den demokratischen Staat ergebe sich daraus die Verantwortung, dieses wertvolle Privileg der Freiberuflichkeit und Selbstständigkeit zu erhalten. Immerhin komme der Gedanke dahinter dem Selbstverwirklichungsgedanken im Grundgesetz sehr nahe, welches passenderweise ebenfalls in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert.
Speziell bedankte sie sich bei Schmidt für seinen Einsatz und wünschte dessen Nachfolger »viel Kraft und gute Nerven«. Ihr sei bewusst, dass man als Freiberufler »ganz vorne steht« und ständig dafür sorgen müsse, dass »alles funktioniert«.
Schwesig sind aber auch durchaus die Sorgen und Probleme der Branche bekannt. Sie zählte einige Punkte auf: Fachkräftemangel, Bürokratie, fehlende Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Sie versprach, künftig Quereinsteigern den Weg zu erleichtern, vermehrt Fachkräfte aus dem Ausland zu holen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.
Aus ihrer Sicht haben die freien Berufe seinerzeit auch einen wichtigen Beitrag zur Wiedervereinigung geleistet, indem die alten und die neuen Bundesländer eng zusammengearbeitet hätten, um eine gemeinsame Basis zu schaffen.
Auch der frisch im Amt bestätigte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz erinnerte in seinem Grußwort daran, dass der BFB so alt sei wie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. »Dieses Grundgesetz eröffnet Ihnen Ihre Berufsausübung«, so Merz an die gastgebenden Freiberufler.
Das sei ein Grund zu feiern. »Es gibt leider auch Grund, etwas besorgt in die Zukunft zu schauen«, so Merz weiter. Demokratien seien unter Druck, »von außen, aber leider auch von innen«. Auch die CDU/CSU sei mit schuld daran, dass das Bewusstsein zurückgegangen sei, wie notwendig es sei, freiheitliche Demokratie zu verteidigen.
Deswegen wünscht sich Merz von den Freiberuflern, dass sie nicht nur am Samstag oder Sonntag auf Demonstrationen für die Demokratie gehen, sondern sich auch am Montag in demokratische Parteien einbringen, er spreche bewusst im Plural. »Diese Gesellschaft braucht parteipolitisches Engagement«, so Merz.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) machte aus seinen Grußworten beim BFB-Festakt eine Werbeveranstaltung für seine Partei. Er redete über Klimaprobleme, die Schuldenbremse und Steuerlast sowie die Energiepreise und Gasversorgung im Land. Am Rande ging es dann um den Fachkräftemangel, deren Dunkelziffer er auf 2 Millionen bezifferte. Und das, obwohl derzeit so viele Menschen in der Bundesrepublik arbeiteten wie noch nie zuvor.
Gründe für die Probleme auf dem Arbeitsmarkt sieht er unter anderem in einer mangelnden Betreuungsstruktur sowie fehlender Zuwanderung. »Deutschland hat einiges verschlafen« und »zu lange hochqualifizierte Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt gelassen«, so Habeck. Am Ende hält er dann doch noch ein Lob für die freien Berufen bereit: »Sie sind unterschiedlich, aber klug.« Sie seien ein wichtiges Standbein der deutschen Wirtschaft und sorgten oftmals dafür, dass die Menschen hierzulande gesund und »guter Laune« seien.
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