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Jugendtraining

Fußball besser ohne Kopfball?

Köpfen beim Fußball ist umstritten. Studien legen einen Zusammenhang zwischen sich wiederholenden Kopfverletzungen und neurodegenerativen Erkrankungen nahe. Der Deutsche Fußballbund hält für den Nachwuchs ein altersgerechtes Training für vertretbar. Mediziner aus Hamburg fordern jetzt ein Kopfball-Verbot.
Elke Wolf
17.05.2022  12:00 Uhr

Fachärzte der Hamburger Asklepios Klinik haben Anfang April ein Verbot von Kopfbällen im Fußball für Kinder unter zwölf Jahren gefordert. Zugleich kritisieren sie die Haltung des Deutschen Fußballbundes (DFB), der auf altersgemäße Regelungen setzt. »Die Experten der Klinik sind sich einig darin, dass ein klares Verbot von Kopfbällen die deutlich verantwortungsvollere Version wäre«, teilte die Asklepios Klinik mit.

Vorausgegangen war Anfang des Jahres ein Statement von Tim Meyer, Teamarzt der Deutschen Nationalmannschaft und Leiter der medizinischen Kommission des DFB: »So ein Kopfball zieht in der Regel kein greifbares medizinisches Krankheitsbild nach sich.« Gehirnerschütterungen könnten zwar vereinzelt bei Kopfbällen auftreten. Doch »meistens ist es nicht der Ball, der diese Gehirnerschütterung auslöst, sondern der Kontakt mit dem Kopf des Gegners, der Schulter, der Pfosten oder dem Boden«, sagte Meyer. Der DFB empfiehlt für das Training in den jüngeren Jugendklassen leichte Bälle – teils aus Schaumstoff – sowie eine geringe Zahl von Kopfball-Wiederholungen pro Training. Kleine Spielfelder bei den Jüngeren und Mini-Tore sollen dazu beitragen, dass die Bälle flach gespielt werden.

Die Ärzte der Hamburger Klinik riefen den DFB auf, Position gegen das frühe Kopfballspiel zu beziehen und das Kopfball-Training für Kinder unter zwölf Jahren auszusetzen. »Sich auf Kommissar Zufall zu verlassen in dem Sinne, dass sich das Problem durch veränderte Spielformen im Kleinfeld praktisch von selbst erledigt, halten wir nicht für einen ausreichenden Schutz zur langfristigen Gesunderhaltung unserer Kinder«, erklärte der Chefarzt der Kinderklinik am Asklepios Krankenhaus, Professor Dr. Markus Kemper.

In England, Schottland und Nordirland besteht seit Anfang 2020 ein Verbot von Kopfbällen im Training von Kindern unter zwölf Jahren. In den USA sind Kopfbälle für Kinder unter zehn Jahren verboten, bis zum 13. Lebensjahr darf nur eingeschränkt geköpft werden.

Kontakt mit Folgen

Die Frage, inwiefern leichte Gehirnerschütterungen oder auch lediglich sich wiederholende leichte Zusammenstöße mit dem Kopf neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz, Parkinson oder schwere Schädel-Hirn-Traumata begünstigen können, ist derzeit nicht klar beantwortet. Auch die chronische traumatische Enzephalopathie (CTE), die von sogenannten Kontaktsportarten wie dem Boxen, American Football oder Eishockey bekannt wurde, wird mit dem Fußball in Verbindung gebracht.

2019 hatte eine schottische Studie für Aufmerksamkeit gesorgt, weil sie für ehemalige Fußballprofis eine 3,45-mal höhere Wahrscheinlichkeit, an einer Demenzerkrankung zu sterben, analysierte als für die Normalbevölkerung. Dabei verglichen die Wissenschaftler der Universität Glasgow die Todesursachen von 7676 früheren schottischen Fußballprofis, die zwischen 1900 und 1976 geboren wurden, mit einer dreimal so großen Kontrollgruppe mit gleichem Alter, Geschlecht und sozialem Status. Torhüter, die den Ball eher selten köpfen, hatten der Studie zufolge kein erhöhtes Risiko.

Einbußen beim Denken

Der Kopf scheint weitaus sensibler und längerfristig auf Erschütterungen zu reagieren als bislang angenommen. Untersuchungen von Medizinern und Psychologen der Universitäten in Münster und Marburg zufolge leiden Betroffene noch nach sechs Jahren unter erheblichen Beeinträchtigungen ihrer kognitiven Fähigkeiten. Rund 40 Prozent der Teilnehmer, die zuvor eine leichte Gehirnerschütterung erlitten hatten, zeigten mittelstarke bis starke Beeinträchtigungen in verschiedenen neuropsychologischen Bereichen wie Lernen und Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen wie Pläne schmieden, sich Ziele setzen oder Entscheidungen treffen. Auch depressive Symptome waren nach Gehirnerschütterungen häufiger.

Offenbar kann eine einzige leichte Gehirnerschütterung wichtige Hirnregionen atrophieren lassen, ein Vorgang der längere Zeit nur als Folge schwerer Verletzungen bekannt war. New Yorker Neuroradiologen wiesen diese strukturellen Veränderungen mit einem speziellen Verfahren der Magnetresonanztomographie auch bei Patienten nach, denen ein Jahr zuvor lediglich ein leichtes Schädeltrauma widerfahren war. Beeinträchtigt waren vor allem Hirnregionen, die die Stimmung regulieren und an komplexen Denkvorgängen beteiligt sind. In der Vergleichsgruppe atrophierte das Volumen dieser Hirnregionen im Verlauf eines Jahres nicht. Kognitive Tests, die die Wissenschaftler mit ihren Patienten machten, bestätigten die Ergebnisse der tomografischen Aufnahmen.

Vermutlich ist noch nicht einmal eine Gehirnerschütterung nötig, um dem Organ Schaden zuzufügen. Untersuchungen legen nahe, dass selbst bereits Köpfen beim Fußball geistige Einbußen mit sich bringen könnte. Das schließt zumindest Anne Sereno von der Universität in Texas aus ihren Untersuchungsergebnissen. Ähnlich sehen das Wissenschaftler der Universität München, die ihre Forschungsergebnisse im Journal JAMA veröffentlicht haben. Sie machten Veränderungen aus, »wie sie von Patienten mit Gehirnerschütterung bekannt sind, nur in leichterer Form«. Unter die Lupe genommen haben sie dazu die Gehirne von einem Dutzend Profifußballern, die bislang kein Schädeltrauma erlitten hatten, und mit denen von Profischwimmern, also Sportlern, bei denen Hirnverletzungen eher selten sind, verglichen. Mithilfe spezieller Bildgebungsverfahren konnten sie besonders in der weißen Substanz des Gehirns Veränderungen ausmachen, also jenen Teilen des Zentralnervensystems, die aus Nervenfasern bestehen.

 

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