Früh mit der Darmkrebsvorsorge beginnen |
Brigitte M. Gensthaler |
13.02.2023 09:00 Uhr |
Wer geht schon gerne zur Darmspiegelung? Dennoch kann die Vorsorgeuntersuchung lebensrettend sein, gerade bei Menschen mit familiärer Belastung oder Typ-2-Diabetes. / Foto: Felix-Burda-Stiftung
Das kolorektale Karzinom (CRC) ist eine Volkskrankheit und das dritthäufigste Karzinom weltweit. In Deutschland erkranken rund 61.000 Menschen jährlich neu an Darmkrebs; sieben von zehn haben bei Erstdiagnose bereits ein fortgeschrittenes Stadium. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Anfang/Mitte 70. Ein Darmkrebs bildet sich im Lauf von zehn bis 15 Jahren über die Vorstufe des Adenoms.
Anspruch auf Teilnahme am Darmkrebs-Screening haben alle gesetzlich krankenversicherten Personen ab 50 Jahren. Dafür stehen nicht invasive Tests wie der immunologische fäkale Okkultbluttest (iFOBT) zur Verfügung. In der Forschung seien Bluttests auf mehr als 50 Krebsbiomarker, informierte Professor Dr. Albrecht Pfeiffer vom Zentrum Innere Medizin, München, kürzlich bei der Tagung »Diabetologie grenzenlos« in München. Diese könnten aber nur Tumoren entdecken, die bereits einen Anschluss an das Blutgefäßsystem gebildet haben, nicht die Vorstufen. Goldstandard ist nach wie vor die Koloskopie (als Kassenleistung) bei Männern ab 50 und Frauen ab 55 Jahren. Diese Untersuchung soll nach zehn Jahren wiederholt werden. Allerdings ist die Teilnahmerate gering.
»Ein neues Problem ist der Anstieg des CRC bei Menschen unter 50 Jahren«, berichtete der Internist und Gastroenterologe. Wichtige Risikofaktoren seien Typ-2-Diabetes, Adipositas und metabolisches Syndrom, aber auch Lebensstilfaktoren. »Diabetes und Darmkrebs haben eine steigende Prävalenz und einige gemeinsame Risikofaktoren wie etwa Fehlernährung, Übergewicht und Adipositas sowie Bewegungsmangel.« Menschen mit Typ-2-Diabetes hätten im Vergleich zur Normalbevölkerung ein höheres Darmkrebsrisiko, vor allem in jungen Jahren. Auch ihre Prognose sei schlechter: Gesamtmortalität und CRC-spezifische Mortalität seien höher und das krankheitsfreie Überleben geringer.
Eine 2020 im »American Journal of Gastroenterology« veröffentlichte schwedische Studie nennt Zahlen zum Zusammenhang von Darmkrebs und Diabetes. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg und der Universität Lund werteten dazu Daten von rund 12,6 Millionen Personen aus. Darunter fanden sie mehr als 559.000 Diabetes- und 162.000 Krebspatienten.
Wer vor dem 50. Lebensjahr an Diabetes erkrankt war, hatte ein 1,9-fach erhöhtes Risiko, vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs zu erkranken. Wer zudem noch familiär vorbelastet war (Verwandte ersten Grades mit CRC), hatte ein 6,9-faches Risiko für CRC in jungen Jahren. Später sank das Risiko, war aber immer noch doppelt so hoch wie in der nicht diabetischen Gruppe. Ein Diabetes mellitus steigerte das Darmkrebsrisiko in ähnlichem Maß wie eine familiäre Vorbelastung.
»Männer mit Diabetes erreichen das Risikoniveau der 50-jährigen stoffwechselgesunden Durchschnittsbevölkerung schon mit 45 Jahren; kommt ein Verwandter mit CRC hinzu, schon mit 32 Jahren«, erklärte Pfeiffer. Frauen seien in ähnlichem Ausmaß gefährdet.
Der Gastroenterologe forderte daher, bei Patienten mit Diabetes ab dem 45. Lebensjahr mit dem Darmkrebs-Screening zu beginnen. Die Koloskopie sei dazu die beste Möglichkeit. Menschen mit Typ-2-Diabetes sollten alle fünf Jahre untersucht werden. Eventuell könne man die Intervalle strecken, wenn zwei Koloskopien ohne Befund waren. Menschen mit Diabetes und familiärer Disposition sollten alle zwei bis drei Jahre zur Vorsorge gehen.
Liegen neben Diabetes mellitus weitere Risikofaktoren wie Tabak- oder Alkoholkonsum, Übergewicht oder eine familiäre Belastung vor, übernehmen einige Krankenkassen inzwischen die Kosten für eine frühere Vorsorgekoloskopie – bei Männern bereits ab dem 40. Lebensjahr und bei Frauen ab dem 45. Lebensjahr. Auch die Deutsche Diabetes-Gesellschaft fordert Hochrisikopatienten auf, dieses Angebot zu nutzen.