Frauen im hormonellen Auf und Ab |
| Annette Rößler |
| 14.11.2023 07:00 Uhr |
Allgemeines Unwohlsein und Stimmungsschwankungen können erste Anzeichen für das Erreichen der Wechseljahre sein. / Foto: Getty Images/valentinrussanov
Die Menopause, also das Versiegen der weiblichen Fruchtbarkeit, ist ein Phänomen, von dem Forschende lange Zeit annahmen, dass es nahezu ausschließlich beim Menschen auftritt. Bei den allermeisten Tierarten sind die Weibchen so lange fruchtbar, wie sie leben – beziehungsweise sie sterben ungefähr in dem Alter, in dem ihre ovarielle Reserve erschöpft ist (siehe Kasten). Bei Menschenfrauen übertrifft die durchschnittliche Lebenserwartung dagegen die reproduktive Phase bei Weitem, sodass Frauen heute 40 Prozent oder sogar mehr ihrer erwachsenen Lebenszeit jenseits der Menopause verbringen.
Sie haben dann eine fundamentale hormonelle Umstellung hinter sich gebracht, die sich über Jahre hinzieht und mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen einhergehen kann: die Wechseljahre, auch als Klimakterium oder Perimenopause bezeichnet. Während dieser Zeit lässt die Funktion der Eierstöcke langsam nach und sie produzieren immer weniger der Steroidhormone Estrogene und Gestagene. Bei den meisten Frauen setzt dieser Prozess im Alter von Anfang bis Mitte 40 ein, im Einzelfall auch früher oder später. Bei Erreichen der Menopause, also der letzten Menstruationsblutung, nach der es mindestens zwölf Monate lang zu keiner ovariell ausgelösten Blutung mehr kommt, sind Frauen in Deutschland durchschnittlich 51 Jahre alt.
Während der Wechseljahre durchlaufen viele Frauen eine »hormonelle Achterbahn«, wie es Dr. Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG), bei einer Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft formulierte. »Die Eierstöcke stellen ihre Hormonproduktion nicht allmählich ein, sondern die Abnahme der noch vorhandenen Eizellen führt zu starken hormonellen Schwankungen«, erläuterte die Gynäkologin, die Mitinhaberin einer Schwerpunktpraxis für gynäkologische Endokrinologie in Hamburg ist. Währenddessen versuche die Hypophyse »mit aller Macht«, die Eireifung und damit die Möglichkeit der Reproduktion aufrechtzuerhalten und es kommt zu einem starken Anstieg der Hypophysenvorderlappen-Hormone Follikel stimulierendes Hormon (FSH) luteinisierendes Hormon (LH).
Im Gegensatz zum regelmäßigen hormonellen Auf und Ab früherer Jahre, das Schaudig mit einem Uhrwerk verglich, komme es in der Perimenopause zu Zyklusunregelmäßigkeiten; mal blieben Eisprünge aus, mal reiften mehrere Eizellen kurz hintereinander – und in der Folge würden wiederum mal zu wenige, mal zu viele Hormone ausgeschüttet. Die großen Schwankungen könnten das Wohlbefinden der Frau stark beeinflussen.
Symptome wie Schweißausbrüche und Hitzewallungen, aber auch Scheidentrockenheit, Gelenkprobleme und sexuelle Unlust, die den meisten Menschen beim Stichwort »Wechseljahre« als Erstes einfallen, träten jedoch nicht sofort auf, sondern meist erst in der Postmenopause. Das Erreichen der frühen Perimenopause äußere sich dagegen eher durch Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, allgemeines Unwohlsein, Schwindel oder Kopfschmerzen, also unspezifische Symptome, die sich zudem schleichend entwickeln.
Die Wechseljahre sind für Frauen meist eine Zeit, in der sie beruflich und privat stark in Anspruch genommen werden. Für psychische Symptome suchen viele daher zunächst äußere Ursachen. / Foto: Getty Images/Oliver Rossi
»Da solche Beschwerden grundsätzlich immer mal wieder vorkommen und diese Lebensphase für Frauen auch beruflich und familiär stressig ist, denken Betroffene zunächst oft gar nicht an die Wechseljahre und erwähnen die Beschwerden auch nicht von sich aus«, sagte Schaudig. Frauenärzte sollten daher gezielt nachfragen. Sie empfahl dafür eine Checkliste, die die DMG entwickelt hat und die »jede Frau Anfang 40 einmal vorgelegt bekommen sollte«:
Je mehr dieser Fragen eine Frau mit Ja beantworte, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in den Wechseljahren befindet. Betroffenen Frauen könne es schon entlasten, zu wissen, dass ihre Beschwerden eine körperliche Ursache haben. Hilfreich könnten zudem Sport, Akupunktur, kognitive Verhaltenstherapie oder Hypnose sein. Als medikamentöse Optionen stünden neben der Hormonersatztherapie (HRT) unter anderem Antidepressiva (auch Johanniskraut), Phytoestrogene und Präparate mit Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) zur Verfügung.
Zur HRT sagte Professor Dr. Peyman Hadji vom Frankfurter Hormon- und Osteoporosezentrum in Frankfurt am Main: »Die HRT wurde früher fast jeder Frau verordnet. Dann war man eine Zeit lang extrem zurückhaltend damit. Heute wird sie wieder mehr, aber mit Bedacht eingesetzt.« Bei wechseljahresbedingten muskuloskelettalen Beschwerden komme eine HRT prinzipiell infrage, doch müsse man hier unterscheiden: Knochen, Muskeln und Gelenke bildeten zwar eine funktionelle Einheit, doch es seien drei unterschiedliche Organe – und die Evidenz für den Einsatz einer HRT bei den entsprechenden Erkrankungen Osteoporose, Sarkopenie (Muskelschwund) und Arthrose auch unterschiedlich gut.
So sei bei Osteoporose der Zusammenhang mit der Menopause klar belegt. »Estrogen hält den Knochenauf- und -abbau in Balance. Wenn nach der Menopause der Estrogenspiegel deutlich abgefallen ist, kommt es physiologischerweise zu einem Abbau von 1 bis 2 Prozent Knochendichte pro Jahr. Abhängig von der Ausgangsknochendichte und von zusätzlichen Risikofaktoren wird daraus schnell eine Osteoporose«, erläuterte Hadji. Eine Hormongabe könne den Knochenabbau aufhalten.
Eine Arthrose sei dagegen ein multifaktorielles Geschehen, in dem der Estrogenspiegel nur einer von mehreren Bausteinen ist. Es gebe viele Studien, die einen Zusammenhang zwischen Gelenkbeschwerden und Menopause nahelegen. Zudem entwickelten 70 bis 80 Prozent der Frauen mit Brustkrebs, deren Estrogenproduktion durch einen Aromatasehemmer zum Erliegen gebracht wird, teilweise sehr stark ausgeprägte Gelenkbeschwerden wie Arthralgien und Morgensteifigkeit. »Ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig Estrogen für den Erhalt der Gelenkgesundheit ist«, so Hadji.
An der Entwicklung einer Sarkopenie seien ebenfalls mehrere Faktoren beteiligt, allen voran Bewegung, aber auch Vitamin D, der Zuckerstoffwechsel und Estrogen beziehungsweise Testosteron. In kleinen Studien habe gezeigt werden können, dass Frauen unter einer HRT eine bessere Muskelkraft und eine bessere Kraftausdauer haben. »Es ist fraglich, ob man wegen einer Sarkopenie eine HRT machen sollte, aber es ist zumindest so, dass Frauen, die eine HRT anwenden, viel seltener an einer Arthrose und Sarkopenie erkranken«, sagte Hadji. Ob und wie lange eine Frau eine HRT anwenden möchte, sei eine Entscheidung, die sie gemeinsam mit ihrem behandelnden Arzt fällen sollte.
Dasselbe gilt für den Einsatz von niedrig dosiertem Testosteron bei sexueller Unlust (Hypoactive Sexual Desire Disorder, HSDD), zu dem sich Dr. Anneliese Schwenkhagen äußerte. Die Praxis-Mitinhaberin von Schaudig informierte, dass Testosteron sich momentan »in die Wellness-Ecke geschlichen« habe. Bei Befindlichkeitsstörungen im Zusammenhang mit der Menopause gebe es für den Einsatz aber keine Evidenz. Bei HSDD könne Testosteron dagegen eine Option sein, wenn sie Krankheitswert habe und sich keine andere Erklärung dafür finden lasse. Problematisch sei, dass es in Deutschland kein zugelassenes Testosteron-Präparat mit passender Dosierung gebe – die Präparate für Männer seien zehnfach überdosiert –, sodass auf Rezepturen zurückgegriffen werden müsse.
Welchen biologischen Sinn hat die Menopause? Diese Frage stellt sich angesichts jüngster Forschungsergebnisse, über die auf der Nachrichtenseite des Fachjournals »Science« berichtet wird, gerade ganz neu. Für den Erhalt einer Art ist es nämlich prinzipiell besser, wenn weibliche Individuen bis ins hohe Alter Kinder bekommen können, weil sie dann tendenziell mehr Nachwuchs haben. Dass das bei Menschen und wenigen anderen Spezies (darunter Killerwale) anders ist, wurde meist mit der sogenannten Großmutter-Hypothese erklärt: Ältere Frauen, die keine eigenen Kinder mehr betreuen müssen, können sich mit um die Enkel kümmern. Erst kürzlich entdeckten Forschende nun aber, dass es die Menopause auch bei wild lebenden Schimpansen sowie unter anderem bei Pferden, Rindern, Elefanten und Mäusen gibt, wobei die Zeitspanne, die weibliche Tiere nach dem Ende ihrer Fruchtbarkeit noch leben, variiert. Zumindest die Schimpansen-Omas beteiligen sich überhaupt nicht an der Aufzucht der Enkel, sodass die Großmutter-Hypothese durch diese neuen Erkenntnisse ins Wanken geraten könnte.