Forscher wollen Alpaka-Nanobodys gegen Covid-19 testen |
Theo Dingermann |
29.07.2021 09:00 Uhr |
Alpakas und andere Kamelartige haben besonders kleine Antikörper, die sogenannten Nanobodys. Sie haben besondere Eigenschaften, die sie für die Wirkstoffentwicklung interessant machen. / Foto: Getty Images/Don Mason
Nanobodys sind kamelide Antikörper beispielsweise aus Dromedaren, Kamelen, Lamas oder Alpakas. Anders als gewöhnliche Antikörper bestehen Nanobodys nur aus zwei schweren Ketten – die leichten Ketten fehlen hier. Zudem sind sie gut wasserlöslich und zeichnen sich durch eine hohe Hitzebeständigkeit aus. Das sind gute Voraussetzungen, um sie als Wirkstoffe zu entwickeln.
Dies alles ist zwar nicht neu. Aber Wissenschaftlern des Max Planck Instituts für Biophysikalische Chemie und der Universitätsmedizin Göttingen berichten diese Woche von ganz besonders interessanten Nanobodys, die gegen die Rezeptor-Bindedomäne (RBD) des S-Proteins von SARS-Cov-2 gerichtet sind und dessen Funktion äußerst effektiv inaktivieren. Ihre Arbeit wird im »The EMBO Journal« erscheinen.
Aus einer Alpaka-Immunbibliothek gelang es den Forschern, 45 infektionshemmende Nanobodys zu isolieren. Der wirksamste Vertreter neutralisiert SARS-CoV-2 in einer Konzentration von 17-50 pM (0,2-0,7 µg pro Liter). Er bindet S-Proteine, die sowohl in der Prä- als auch in der Postfusionskonformation vorliegen. In der Röntgenstrukturanalyse des Immunkomplexes aus RBD mit dem Nanobody ist eine erstaunlich hohe Passgenauigkeit zu erkennen.
Zudem konstruierten die Wissenschaftler Tandem-Varianten des Nanobodys. Diese erkennen unterschiedliche Bereiche auf der Rezeptor-Bindedomäne und binden dann gemeinsam an das Spike. Solche Varianten tolerieren auch die Immune-Escape-Mutationen K417N/T, E484K, N501Y und L452R der Alpha-, Beta-, Gamma-, Epsilon-, Iota- und Delta/Kappa-Linien.
Schließlich gelang es Nanobodys zu isolieren, die gewissermaßen als Chaperone der Rezeptor-Bindedomäne dabei hilft, die korrekte dreidimensionale Struktur einzunehmen. Das eröffnet die Möglichkeit, Nanobodys auch aus E. coli-Zellen zu isolieren, in denen sich die Antikörper normalerweise nicht korrekt falten.
Unter dem Aspekt des Einsatzes von Medikamenten in der realen Welt ist positiv zu vermerken, dass die Nanokörper Temperaturen von 95°C standhalten können. Dies hebt auch der Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie Professor Dr. Dirk Görlich hervor, der in einer Pressemitteilung des Instituts betont: »Die isolierten Antikörper vereinen erstmals extreme Stabilität und höchste Wirksamkeit gegen das Virus und dessen Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-Varianten«.
Der Direktor des Instituts für Molekulare Onkologie an der Universitätsmedizin in Göttingen, Professor Dr. Matthias Dobbelstein, sagt: »Unsere einfachen Nanobodys eignen sich möglicherweise dafür, inhaliert zu werden, um so das Virus in den Atemwegen einzudämmen. Da sie sehr klein sind, können sie zudem leicht ins Gewebe eindringen und das Virus direkt am Infektionsort an einer weiteren Ausbreitung hindern.«
Noch einmal verbessert werden die Eigenschaften der Nanobodys, wenn man sie zu drei identischen Molekülen miteinander verbindet. Dieser Ansatz trägt der natürlichen Symmetrie der RBD des S-Proteins Rechnung, das ebenfalls durch drei identische Einheiten zu drei Bindedomänen angeordnet ist.
»Wir bündeln mit dem Dreierpack gewissermaßen die Kräfte: Jeder der drei Nanobodys heftet sich idealerweise an eine der drei Bindedomänen«, sagt Thomas Güttler, Wissenschaftler in Görlichs Team. »So entsteht eine praktisch irreversible Bindung. Der Dreierpack lässt das Spike-Protein nicht wieder los und neutralisiert das Virus sogar bis zu 30.000-fach besser als die Einzel-Nanobodies.«
Nun bereitet das Göttinger Team die Nanobodys für den therapeutischen Einsatz vor. Sicherlich ist der Weg bis zum fertigen Medikament noch lang. Aber man ist optimistisch. So betont Dobbelstein: »Wir wollen die Nanobodys möglichst schnell für den sicheren Einsatz als Wirkstoff testen, damit sie schwer Erkrankten zugutekommen sowie jenen, die nicht geimpft wurden oder keinen effektiven Impfschutz aufbauen können.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.