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Kampagne um Brustkrebs-Blutest

Finanzielle Interessen im Vordergrund?

Ungerechtfertigt Hoffnungen wecken - das ist gerade in der Medizin moralisch fragwürdig. Mit ihrer Ankündigung eines Bluttests auf Brustkrebs haben Mediziner genau das getan. Warum? Im Vordergrund könnten finanzielle Interessen stehen, wird zunehmend deutlich.
dpa
04.04.2019  11:04 Uhr

Als »Meilenstein« mit baldiger Marktreife pries der Chef der Heidelberger Frauenklinik einen Test zur Krebsfrüherkennung an - seither reißt die Kritik an Christof Sohns PR-Kampagne nicht ab. Viel zu früh sei der Bluttest auf Brustkrebs der Öffentlichkeit präsentiert worden, urteilt die Fachwelt. Die Frage nach den wirtschaftlichen Hintergründen wird lauter. »Wenn aus wirtschaftlichen Interessen unüberprüfbare Ergebnisse an die Öffentlichkeit gegeben und damit ungerechtfertigte Erwartungen geweckt werden, wirft das einen Schatten auf das Image der Forschung«, sagt der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Johannes Bruns.

Christof Sohn ist laut »Rhein-Neckar-Zeitung« zu gut vier Prozent an dem Unternehmen Heiscreeen, einer Ausgründung der Uniklinik zur Vermarktung des Bluttests, beteiligt. Noch mehr Anteile hält er demnach bei der Heiscreen NKY GmbH zur Vermarktung des Tests in China. Auch Oberärztin und Projektleiterin Sarah Schott ist bei beiden Firmen mit im Boot. Ein undurchschaubares Firmengeflecht um die Vermarktung des Tests ist entstanden. In dem Bereich locken Milliardengewinne. »Wenn Geld und Wissenschaft in einer Hand zusammenkommen, stellt sich schon die Frage nach Interessenkonflikten«, sagt Bruns. Die Deutsche Krebshilfe sieht das ähnlich. Ihr Vorstandsvorsitzender Gerd Nettekoven sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, Sohn stelle offensichtlich wirtschaftliche Interessen in unverantwortlicher Weise vor das Wohl der betroffenen Frauen.

Gehen die ursprünglichen Entdecker leer aus?

Während Sohn sich als Entdecker des Tests gibt, könnten die ursprünglichen Entwickler leer ausgehen: Den Forschern um Rongxi Yang haben Uniklinik und Technologie Transfer Heidelberg GmbH laut Rhein-Neckar-Zeitung womöglich ihren finanziellen Anspruch auf einen Teil der Erlöse aus der Verwertung des Bluttests verwehrt. Die jungen Wissenschaftler waren 2016 für ihre Forschung zu einem »hoch zuverlässigen und präzisen diagnostischen Test für die Erkennung von Brustkrebs in einem äußerst frühen Stadium« von Bundeswirtschaftsministerium und EU gefördert worden. Das Programm soll Existenzgründungen unterstützen. Im Frühjahr 2017 stand eine Firmengründung kurz bevor - wurde aber laut Rhein-Neckar-Zeitung von der Technologie Transfer Heidelberg GmbH, einer Tochter des Uniklinikums zur Vermarktung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Medizin, vereitelt. Weder von dem Unternehmen noch von der Uniklinik und dem Chef der Frauenklinik sind derzeit Stellungnahmen zu den Vorwürfen zu erhalten.

Kliniksprecherin Doris Rübsam-Brodkorb verweist auf die Aufarbeitung durch eine Kommission, die Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, leiten wird. Die weitere Zusammensetzung und die Fristen seien noch unklar. Aus Sicht Bruns von der Krebsgesellschaft sind Ausgründungen aus Unikliniken ein zweischneidiges Schwert: »Mit zu frühen Ausgründungen tut man sich keinen Gefallen.« Wissenschaftler, die bislang frei forschen konnten, müssten auf einmal wirtschaftlichen Zwängen gehorchen, etwa um Investoren anzuziehen. Die Universität sieht allein die Klinik in der Verantwortung für die PR-Aktion Sohns. »Das ist keine Angelegenheit der Universität«, sagt Uni-Sprecherin Marietta Fuhrmann-Koch. Zu hinterfragen sei aber, ob die Regeln zur guten wissenschaftlichen Praxis angepasst werden müssten. »Es wird für die Wissenschaft immer bedeutsamer, ihre Ergebnisse in die Gesellschaft zu tragen. Wir brauchen daher an den Schnittstellen von Forschung, Wissenstransfer und Vermarktung von Wissen verlässliche Regeln.«

Kritik von Fachgesellschaften

Fachgesellschaften, Mediziner und Statistiker hatten das Vorgehen Sohns heftig kritisiert. Üblich sei vor einer Information der Öffentlichkeit eine Publikation in einem Fachjournal, wo Studien von Gutachtern bewertet würden, erklärt Bruns. Zu dem Brustkrebs lägen keine solchen Daten vor. Sich der kritischen Fachwelt zu stellen, sei aber ein wichtiges Mittel zur Qualitätssicherung. Sohn habe mit seiner Art der Kommunikation nicht nur der Wissenschaft, sondern auch sich selbst geschadet. Wenn er mit verwertbaren Ergebnissen in drei vier Jahren an die Öffentlichkeit trete, werde er womöglich nicht ernst genommen. Ob der von Sohn vorgestellte Bluttest eine sinnvolle Ergänzung zur Früherkennung von Brustkrebs sein kann, lasse sich derzeit noch nicht beurteilen, sagt Bruns. »Die Idee ist großartig, zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem Durchbruch zu sprechen, ist aber viel zu früh.«

Die sogenannte Liquid-Biopsy-Methode basiert auf dem Nachweis krebsspezifischer Biomarker im Blut. Sonderlich zuverlässig ist er nach derzeitiger Datenlage allerdings nicht: Von 100 gesunden Frauen bekommen 30 fälschlicherweise einen Brustkrebsbefund, wie die Uniklinik bestätigte. »Falsch positive Befunde führen zu einer erheblichen psychischen Belastung betroffener Frauen«, hieß es im Februar in einer gemeinsamen Stellungnahme von sieben Fachverbänden. Von 100 Frauen mit Brustkrebs werden zudem nur etwa 75 als krank erkannt. Bei der Mammografie betragen die Fehlerquoten nur Bruchteile dessen. Brustkrebs ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Im Jahr 2018 erkrankten etwa 70.000 Frauen neu an Brustkrebs, das waren etwa 30 Prozent der Krebsneuerkrankungen insgesamt. Wird der Tumor frühzeitig erkannt, sind die Heilungschancen groß.

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