Fettabsaugung wird Kassenleistung für mehr Betroffene |
2016 demonstrierten diese Frauen in Essen für mehr Akzeptanz des Lipödems. / © Imago/Funke Foto Services
Krankhaft vergrößerte Fettzellen sammeln sich in den Beinen, manchmal auch in den Armen an: Das passiert bei der Krankheit Lipödem, die fast ausschließlich Frauen betrifft. Dabei geht es um mehr als dicke Beine. Die Fettverteilungsstörung belastet Betroffene längst nicht nur beim Blick in den Spiegel. Denn die betroffenen Körperregionen reagieren sehr empfindlich auf Druck und Berührungen. Ein Beispiel: »Es macht wahnsinnig Schmerzen, wenn sich Kinder auf Ihren Schoß setzen«, sagt Peggy Bergert, Zweite Vorsitzende der Lipödem Hilfe Deutschland.
Unter bestimmten Bedingungen trägt die gesetzliche Krankenversicherung künftig die Kosten für Fettabsaugungen (Liposuktion), die die Beschwerden lindern – und zwar unabhängig vom Stadium der Erkrankung. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken diese Woche beschlossen.
Peggy Bergert weiß, wie stark die Erkrankung den Alltag einschränkt – aus ihrer eigenen Erfahrung und durch die Schilderungen anderer Betroffener. »Wenn zum Beispiel aufgrund von Lipödem Oberschenkel oder Gesäß sehr ausgeprägt sind, haben Sie Probleme, sich in der Öffentlichkeit hinzusetzen. Stühle mit Armlehne sind da ganz böse«, sagt Bergert. Vor allem sind da aber die Schmerzen, oft begleitet von Spannungs- und Schweregefühlen in den betroffenen Gliedmaßen.
Lipödem-Patientinnen sind zudem immer wieder mit Vorurteilen und Stigmatisierung konfrontiert. Denn viele Menschen wissen nicht, dass die Krankheit überhaupt existiert und dass Bewegung und eine Gewichtsabnahme gegen die krankhaften Ansammlungen der Fettzellen nichts ausrichten können. »Teilweise werden die Leute angesprochen, wenn sie Eis essen«, sagt Peggy Bergert. Die Erkrankung bedeutet für Betroffene dementsprechend oft auch eine psychische Belastung.
Die Beschwerden lindern: Darauf zielt die konservative Therapie ab. Dazu gehört etwa eine manuelle Lymphdrainage, »zwischen ein- bis dreimal die Woche«, wie Peggy Bergert sagt. Ein weiterer Baustein sind Kompressionsstrümpfe beziehungsweise -strumpfhosen, die Patientinnen idealerweise täglich tragen sollten. Auch Bewegungstherapie, Ernährungsberatung und Hautpflege sind Teile der konservativen Therapie.
All das bringt keine Besserung? Dann gibt es die Möglichkeit, krankhaftes Fettgewebe durch eine Operation – eine sogenannte Liposuktion – zu entfernen. Bislang hatten nur Patientinnen mit schwerem Lipödem (Stadium III) Anspruch auf die Kostenübernahme durch die Krankenkasse.
In der Vergangenheit haben also viele Patientinnen selbst für ihre Operationen bezahlt. »Als Durchschnittswert kann man ungefähr 6000 Euro nennen als Komplettpaket für eine OP«, sagt Peggy Berger. »Es gibt viele, die in Kredite dafür aufgenommen haben und die dann jahrelang abzahlen.« Ein Eingriff reicht dabei allerdings oft nicht aus.