Experten wachsam, sehen aber keine massive Gefahr |
Mit dem Medikament Tecovirimat gibt es nach Wendtners Worten auch eine seit Januar 2022 in der EU zugelassene Therapiemöglichkeit. «Tecovirimat ist ein kleines Molekül, das die Bildung des schützenden Hüllproteins des Affenpocken-Erregers verhindert, so dass die Virusfreisetzung aus der Wirtszelle verhindert wird», erklärte Wendtner. «Das Mittel ist auf dem Weg nach Schwabing – nicht unbedingt für unseren Patienten, aber für nicht auszuschließende weitere Fälle.»
Der Münchner Patient leidet an der milderen westafrikanischen der zwei bekannten Virusvarianten. Der Mann war von Portugal über Spanien nach München gereist und hatte sich zuvor in Düsseldorf und Frankfurt am Main aufgehalten. «Dem Patienten geht es nach wie vor gut, er hat relativ wenig Symptome», sagte Wendtner.
Untergebracht ist der 26-Jährige in einem Einzelzimmer mit vorgeschalteter Schleuse. «Im Patientenzimmer herrscht Unterdruck, so dass keine Luft unkontrolliert nach außen entweichen kann. Die Abluft wird zusätzlich über eine virusdichte Filteranlage aufgereinigt», sagte der Mediziner. «Von diesen besonders ausgestatteten Infektionsstationen, die zwar zur Versorgung von Affenpocken-Patienten nicht zwingend erforderlich sind, aber dennoch höchste Sicherheitsstandards für andere Patienten und medizinisches Personal garantieren, haben wir in Deutschland leider zu wenige.»
Die Wissenschaft geht nach Worten Wendtners davon aus, dass mit Affenpocken infizierte Patienten drei bis vier Wochen ansteckend sind. «Unser Patient ist seit 13./14. Mai symptomatisch, so dass er noch zwei bis drei Wochen vor sich hätte. Das hängt aber natürlich immer vom individuellen Verlauf der Infektion ab.»
Es handle sich um eine klassische Schmierinfektion, «die durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten, aber auch das gemeinsame Nutzen von Bettwäsche oder das Teilen von Kleidung von Infizierten übertragen wird. Promiskuität und ungeschützter Geschlechtsverkehr sind Risikofaktoren.»
«Allgemein geht man davon aus, dass die westafrikanischen Affenpocken eine Sterblichkeit von insgesamt 1 Prozent haben, das betrifft vor allem Kinder unter 16 Jahren», sagte Wendtner. «Man muss aber bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragbar auf das Gesundheitswesen in Europa oder den USA sind, bei uns wäre die Sterblichkeit eher niedriger anzusetzen. Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerung massiv zu gefährden.»
Der Erreger der Affenpocken ist in die Risikogruppe drei eingestuft. «Das ist die zweithöchste Sicherheitsstufe», sagte Wendtner. «Die Aufarbeitung dieser Viren darf nur in Speziallaboren erfolgen, von denen es nicht viele gibt.»