EU verschärft Anforderungen an Unternehmen |
Melanie Höhn |
14.12.2023 16:30 Uhr |
Seit Sommer 2023 verhandelten die EU-Institutionen über einheitliche Regelungen für alle europäischen Unternehmen ab einer gewissen Größe. / Foto: IMAGO/ZUMA Wire
Seit knapp einem Jahr bereits ist das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) in Kraft und soll Unternehmen dazu verpflichten, minimale Menschenrechts- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferkette einzuhalten. Es gilt für Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten – ab 2024 betrifft es auch Betriebe mit mindestens 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Inland. Das Gesetz gilt für sämtliche Wirtschaftsbereiche und damit auch für große Arzneimittelhersteller und Hersteller von Medizintechnik. Schon im Januar hatte die Pharmaindustrie teilweise die Sorge, dass diese Vorschriften die Engpass-Krise verstärken könnten.
Das neu beschlossene europäische Lieferkettengesetz, das seit Sommer 2023 verhandelt wurde, ist jedoch strenger als das deutsche LkSG, sagt Clara Brandi, Professorin am Institut für internationale Wirtschaftspolitik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Programmleiterin am German Institute of Development and Sustainability (IDOS). »Es bezieht sich auf EU- und ausländische Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von 40 Millionen Euro«, so Brandi. Die Umweltsorgfaltspflichten im EU-Entwurf seien umfassender, zum Beispiel mit Blick auf den Schutz der biologischen Vielfalt.
Große Unternehmen sollen außerdem einen Plan entwickeln, der sicherstellt, dass die Unternehmensstrategie beispielsweise mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad gemäß des Pariser Abkommens vereinbar ist, erklärte sie weiter. Deutschland habe mit dem Lieferkettengesetz eine Basis, aber sobald die EU-Mitgliedsstaaten die EU-Richtlinie in nationale Gesetze überführen müssen, werde Deutschland sein Lieferkettengesetz noch einmal nachschärfen müssen.
Mit dem Gesetz sollen grundlegende Standards entlang der Lieferketten garantiert werden – auch in Staaten, die ihre Bevölkerung nicht selbst effektiv schützen, etwa vor Menschenrechtsverletzungen. Unternehmen sollen kontrollieren, dass diese Standards eingehalten werden. Werden Standards nicht erfüllt, sollen Betroffene und Verbände in Beschwerdeverfahren klagen können.
Besonders umstritten war in den Verhandlungen, inwiefern das Gesetz auch auf Finanzunternehmen angewandt werden sollte, die dann die Geschäftspraktiken etwa von Kreditnehmern hinsichtlich Menschenrechts- und Umweltstandards überprüfen müssten. Dazu wurde vereinbart, dass Finanzunternehmen zunächst vom Gesetz nicht reguliert werden – allerdings soll dies zukünftig nochmals überprüft werden.
Dass der Finanzsektor noch nicht in die Regulierung einbezogen wurde, dürfte die Erreichung der Ziele der CSDDD merklich einschränken, kommentierte Peter Gailhofer, Senior Researcher für Umweltrecht und Governance am Öko-Institut Berlin. Auf der »Habenseite des Kompromisses« stehe aber – neben zusätzlich einbezogenen, wichtigen Menschenrechtsgewährleistungen – eine »offenbar umfassende Regelung umweltbezogener Sorgfaltspflichten und eine klimaschutzbezogene Pflicht der Unternehmen«.
Zudem erläuterte Gailhofer, dass die Pflichten in der EU-Richtlinie und im deutschen Gesetz strukturell sehr ähnlich seien. »Unternehmen, die die entsprechenden Verfahren, Zuständigkeiten und so weiter bereits eingerichtet haben, um dem deutschen LkSG zu entsprechen, werden diese also nach aller Wahrscheinlichkeit nicht ändern müssen. Ganz im Gegenteil dürfte eher ein Vorsprung gegenüber Konkurrenten vorliegen, die noch nicht über ein Sorgfaltspflichtensystem verfügen«, so Gailhofer. Man werde zudem davon ausgehen können, dass der deutsche Gesetzgeber das LkSG nicht abschaffe, sondern anpasse, um die Anforderungen des Europäische Gesetzes umzusetzen.
Mit der Einigung im EU-Trilog seien nun die Weichen dafür gestellt worden, dass diese zentrale Anforderung des internationalen Menschenrechtsschutzes in die Praxis umgesetzt werde, bewertete Markus Kaltenborn, Professor für Öffentliches Recht, Finanzverfassungs- und Gesundheitsrecht an der Ruhr-Universität Bochum, das EU-Gesetz. Die Mitgliedstaaten müssten jetzt entsprechende Regelungen schaffen beziehungsweise – wie im Fall Deutschlands – ihre hierzu bereits bestehende Gesetzgebung anpassen.
Die neue EU-Lieferkettenrichtlinie stellt laut Kaltenborn einen wichtigen Schritt zur Verbesserung des globalen Menschenrechtsschutzes dar. »Staaten haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass unternehmerische Aktivitäten nicht zur Verletzung grundlegender Menschen- und Arbeitsschutzrechte führen – egal auf welcher Ebene der Wertschöpfungskette und in welchem Land die betreffenden Personen tätig sind«, erklärte er weiter.