EU-Kommission verschärft Kontrolle von Impfstoff-Exporten |
Man wolle die Dinge nicht blockieren, heißt es heute aus Brüssel. Aber beim Export der raren Impfstoffe müsse darauf geachtet werden, dass auch die Empfängerländer ihren Teil beitragen und ihrerseits Exporte von Impfstoffen zulassen. / Foto: Fotolia/finecki
Neue Kriterien sollen es demnach erlauben, Impfstoffe zurückzuhalten, wenn Verhältnismäßigkeit und Gegenseitigkeit nicht gewahrt sind. Generelle Exportverbote soll es aber nicht geben. Ausfuhren in Entwicklungsländer sollen nicht behindert werden. Die EU bleibe offen für Exporte, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Aber die EU-Staaten steckten in der dritten Pandemiewelle, und nicht alle Herstellerfirmen lieferten gemäß ihrem Vertrag an die EU. »Wir müssen schnelle und ausreichende Lieferungen an die EU-Bürger sicherstellen. Jeder Tag zählt.«
Seit dem 1. Februar müssen Impfstoff-Exporte aus EU-Staaten in viele Länder angemeldet und genehmigt werden. 17 Partnerstaaten waren jedoch von dieser Erfassung ausgenommen, darunter Israel und die Schweiz – diese Ausnahmen werden jetzt gestrichen. Nur Lieferungen an 92 ärmere Länder über den Covax-Mechanismus der Weltgesundheitsorganisation sollen ausgenommen bleiben.
Bisher wurden nach Angaben der Kommission 380 Anträge zur Lieferungen von insgesamt rund 43 Millionen Dosen Corona-Impfstoff an 33 Länder genehmigt. Nur ein Antrag wurde abgelehnt – Italien stoppte die Ausfuhr von 250.000 Dosen Astrazeneca-Impfstoff an Australien. Wichtigstes Empfängerland war Großbritannien, dorthin gingen allein 10,9 Millionen Dosen. Danach kamen Kanada (6,6 Millionen), Japan (5,4 Millionen) und Mexiko (4,4 Millionen).
»Es ist nicht unsere Absicht, Dinge zu blockieren«, sagten EU-Beamte. Der erweiterte EU-Mechanismus beziehe nun aber einen »Gerechtigkeits-Ansatz« mit ein. Das Prinzip der Gegenseitigkeit bedeutet aus Sicht der Kommission, dass auch das Empfängerland Exporte von Impfstoffen oder Bestandteilen zulässt. Verhältnismäßigkeit zielt auf die Frage, ob das Empfängerland bereits eine bessere Pandemielage und eine höhere Impfrate habe.
Nach diesen Kriterien könnte vor allem Großbritannien im Fokus der Kontrollen stehen. Aus dem Land kommen nach Darstellung der EU-Kommission keine Impfdosen in die EU, und die Impfrate dort ist höher als in EU-Staaten. Doch hofft Großbritannien auf Lieferungen des Astrazeneca-Impfstoffs aus einem Werk in den Niederlanden.
Derweil wurde bekannt, dass Astrazeneca in Italien 29 Millionen Dosen Corona-Impfstoff für den Export nach Großbritannien lagert. Ein entsprechender Bericht der italienischen Zeitung «La Stampa» wurde der Deutschen Presse-Agentur heute in Brüssel bestätigt. Die Entdeckung ist brisant, weil Astrazeneca bei den Lieferungen an die Europäische Union sehr stark im Rückstand ist. Statt bis zu 220 Millionen Dosen will das Unternehmen den EU-Staaten bis zur Jahresmitte nur 100 Millionen liefern.
»La Stampa« berichtete, das Lager mit den 29 Millionen Impfdosen sei in der italienischen Abfüllfirma Catalent in Anagni entdeckt worden. Der Impfstoff wurde nach dpa-Informationen in der niederländischen Fabrik Halix in Leiden hergestellt und dann in Italien abgefüllt.
Nach den Berichten bestätigte die Regierung in Rom eine Inspektion in einer Firma. Allerdings seien die kontrollierten Impfstoff-Partien den Angaben nach für Belgien bestimmt gewesen, wie die Inspektion ergeben habe. Eine entsprechende Erklärung verbreitete die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi am Mittwoch in Rom. Darin hieß es, dass die Europäische Kommission Rom am vergangenen Samstag gebeten habe, eine Reihe von Impfstoffpartien in einer Produktionsanlage in Anagni in der Region Latium zu untersuchen.
Gesundheitsminister Roberto Speranza habe die Inspektion angeordnet. Bis Sonntag hätten die für Gesundheitsschutz zuständigen Carabinieri (NAS) geprüft. «Die Inspektion ergab, dass die Partien für Belgien bestimmt waren», hieß es. Alle ausgehenden Partien würden nun von den Behörden kontrolliert.
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