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Beratung allergische Rhinokonjunktivitis

Erst aufklären, dann abgeben

Allergologen schlagen Alarm: Vor allem Pollenallergiker werden nicht adäquat behandelt. Professor Dr. Wolfgang Petro, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologe aus Bad Reichenhall, über gute Therapiemöglichkeiten, schlecht informierte Patienten und die Beratungschance in der Offizin.
Elke Wolf
20.02.2020  09:00 Uhr

Schätzungsweise die Hälfte der Pollenallergiker unternimmt nichts gegen die Beschwerden, entweder weil sie den Heuschnupfen als solchen gar nicht erkennen oder ihm keinen echten Krankheitswert zuschreiben, heißt es im aktuellen Weißbuch Allergie, einer von Allergieverbänden herausgegebenen Bestandsaufnahme des Krankheitsbildes. In der Saisonalität der Beschwerden sieht Petro einen weiteren wichtigen Faktor für die fehlende Eigeninitiative der Betroffenen. »Viele Patienten schleppen die Symptome jahrelang mit sich herum und holen sich auch das ein oder andere Medikament in der Apotheke. Aber am Ende des Frühjahrs sind dieBeschwerden wieder vorbei. Sie sind vergessen, bis es erst im nächsten Jahr wieder losgeht.«

Viele Patienten therapieren sich selbst, ohne dass eine Diagnose gestellt wurde. »Sie verkennen die Tatsache, dass es sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung handelt, und das, was daraus erwachsen kann, also das Risiko eines Etagenwechsels«, gibt Petro zu bedenken. Dabei gehöre vor jede Therapie die Diagnose. Deshalb gibt der Fachmann folgenden Beratungstipp: »Der Apotheker sollte zweigleisig fahren. Natürlich sollte er ein Medikament abgeben und damit die Therapie starten, die die Symptomatik bessert. Der Patient kommt ja in die Apotheke, weil es ihm akut schlecht geht. Also muss der Apotheker auch adhoc eine Lösung bieten, weil die Augen tränen, der Rachen juckt, die Nase läuft oder der Kopf dick ist. Aber: Gleichzeitig sollte der Apotheker den Patienten an einen Arzt mit der Zusatzbezeichnung Allergologie verweisen.«

In der Information sieht Petro deshalb eine wichtige Aufgabe des Apothekers. »Bei der Abgabe von Antiallergika sollte der Apotheker aufklären. Es ist wichtig, dem Patienten mittzuteilen, dass eine symptomatische Therapie nicht heilt, sondern nur die Symptome minimiert. Man unterdrückt nur die Sofortreaktion, die Typ-1-Reaktion, aber die entscheidende chronifizierende, entzündliche Reaktion bleibt unbeeinflusst.« Der Apotheker sollte auch auf die Gefahr eines Etagenwechsels und die längerfristige Möglichkeit einer Hyposensibilisierung hinweisen, um die Allergie ursächlich zu behandeln. »In der Tat bekommen 30 bis 40 Prozent der Patienten mit Heuschnupfen ein allergisches Asthma und somit einen Etagenwechsel, wenn die Symptome an Augen und Nase nicht ernst genommen wurden.« Je länger die allergische Belastung bereits anhält, desto wahrscheinlicher werden sich asthmatische Beschwerden ausbilden. Das Risiko eines Asthmas lässt sich durch eine Immunisierung in etwa halbieren, und zwar umso besser, je früher man damit beginnt.

Wichtige Diagnose

Petro legt Wert auf eine ausführliche Diagnostik. »Die Diagnose ist wichtig, um zu wissen, welches Allergen klinisch überhaupt relevant ist. Welches ist das Leitallergen, das die Symptomatik triggert und unterhält? Wenn herauskommt, dass es die Katze ist, muss das Allergenreservoir beseitigt werden, also die Katze abgeschafft. Wenn es die Pollen sind, die die Symptomatik verursachen, habe ich ein ubiquitäres Allergen, das überall vorkommt. Davor lässt sich schlecht schützen, eine Therapie ist dann unvermeidbar.«

Bei leichteren Beschwerden, die den Alltag nur wenig beeinträchtigen, empfiehlt Allergologe Petro, ein Antihistaminikum in der Offizin abzugeben. »Die Darreichungsform sollte sich an den vorherrschenden Symptomen orientieren, also eher lokal als oral.« Sind die Beschwerden stärker ausgeprägt, sodass sie den Alltag beeinträchtigen und regelmäßig auftreten, sieht Petro die nasalen Glucocorticoide vorne. Auch nach den Behandlungsempfehlungen der internationalen Initiative ARIA (Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma) sowie internationale Leitlinien sind die topischen Steroide erste Wahl.

Petro: »Ich versuche, gleich zu Anfang möglichst kausal zu therapieren und starte gerne mit einem nasalen Steroid. Diese bieten den Vorteil, dass sie neben der symptomatischen Hilfe auch das entzündliche Geschehen eindämmen. Mittelfristig gesehen, bekommt man dadurch die Symptomatik besser in den Griff.« Wichtig zu wissen: Die nasalen Steroide wirken nicht sofort, ihre Wirkung baut sich erst nach drei bis fünf Tagen regelmäßiger Anwendung auf. Ein Gebrauch nach Bedarf bringt keinen Effekt. Petro empfiehlt, die ersten Tage mit einem nasalen Antihistaminikum oder einem a-Sympathomimetikum zu überbrücken und parallel zu sprühen, damit der Patient einen Effekt hat. »Ich beschreite in meiner Praxis gern den doppelten Weg und setze die fixe Kombination aus Azelastin und Fluticason ein.« Diese ist allerdings rezeptpflichtig.

Was ist von der vorbeugenden Gabe zu halten? »Der Patient ist gut beraten, wenn es ihm gelingt, präsaisonal den Therapiebeginn zu legen. Wenn man genau weiß, dass man gegen Birkenpollen allergisch reagiert, sollte man einige Wochen zuvor beginnen, die Nase zu sprühen. Die Symptome bleiben dann minimiert. Wenn es dem Patienten mehrere Jahre hintereinander gelingt, mit der Therapie präsaisonal zu beginnen, wird er feststellen, dass die Symptomatik immer weniger wird – weil er gar nicht mehr in die Phase der Inflammation hereinkommt«, erklärt der Fachmann. Und Petro ist der Meinung, dass durch eine adäquate Behandlung der Nase auch die Symptomatik an den Augen abnimmt.

Während die längerfristige Einnahme oder Applikation eines Antihistaminikums laut Petro nicht kritisch zu sehen ist, ist es sie »beim nasalen Steroid insofern, als dass es häufig die Nase austrocknet und Nasenbluten hervorruft«. Petro empfiehlt deshalb, den Sprühstoß Richtung Augenwinkel und nicht Richtung Nasenscheidewand zu applizieren und eine befeuchtende Nasensalbe aufzutragen. »Auch ein guter Tipp, der wenig weitergegeben wird, ist die simple Nasenspülung mit Salzlösungen. Man muss sich zwar erst daran gewöhnen, aber mein Credo ist: zweimal täglich Zähne putzen und Nase spülen zur Gewohnheit werden lassen. Das spült die Pollen weg und befeuchtet die Schleimhaut.«

Woran könnte es Petros Meinung nach liegen, dass Patienten inadäquat therapiert werden? »Ich glaube, es hängt auch damit zusammen, dass viele Patienten von ihrem Hausarzt über Jahre Cetirizin und Co. empfohlen bekommen. Hier muss ich auch ein bisschen meine Kollegen kritisieren, dass wir nicht konsequent vorgehen. Es macht doch keinen Sinn, eine Symptomatik, die sich in der Nase abspielt, mit einem systemischen Medikament behandeln zu wollen, das auch in der Großzehe wirkt. Man muss am Ort des Geschehens behandeln. Aber der Schritt vom oralen Antihistaminikum hin zur antientzündlichen Therapie mit einem nasalen Steroid wird oft nicht gemacht.«

Arzneistoffgruppe Wirkstoff Besonderheiten
Antihistaminika oral Cetirizin (wie Zyrtec®), Loratadin (wie Lorano®), Levocetirizin (wie Levocetirizin Stada®), Desloratadin, Clemastin (wie Tavegil®) Cetirizin und Loratadin abhängig von Darreichungsform teils ab 1 Jahr, Levocetirizin ab 6 Jahre, Desloratadin kurz vor OTC-Switch, Clemastin müde machend
Antihistaminika topisch (Nasenspray und Augentropfen) Azelastin (wie Allergodil®, Pollival®, Vividrin® akut), Levocabastin (wie Livocab®), Ketotifen( wie Zaditen® ophtha) Azelastin ab 6 Jahre, bitterer Nachgeschmack, Levocabastin ab einem 1 Jahr, vor Anwendung schütteln, da Suspension, Ketotifen ab 3 Jahre
Nasale Steroide Beclometasonpropionat (wie Ratioallerg® Heuschnupfenspray, Rhinivict® nasal), Fluticasonpropionat (wie Otri Allergie® Nasenspray Fluticason), Mometasonfuroat (wie Momeallerg® Galenpharma, Mometahexal®) Erwachsene ab 18 Jahre, Verzögert einsetzende Wirkung, Sprühstoß Richtung Augenwinkel und nicht Richtung Nasenscheidewand, um Nasenbluten zu vermeiden
Mastzellstabilisatoren topisch Cromoglicinsäure-Salze (wie Pollicrom® Nasenspray und Augentropfen, Allergo-Comod® Augentropfen, Vividrin® antiallergische Augentropfen vorbeugende Wirkung, zwei Wochen vor der Saison beginnen, wenige Nebenwirkungen, daher auch für Kleinkinder, Schwangere und Stillende geeignet
Die Tabelle listet die verschiedenen Arzneistoffgruppen auf, die gegen allergische Rhinokonjunktivitis ohne Rezept zum Einsatz kommen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
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