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Das »coronarchiv«

Erinnerungen für die Zukunft

Kaum jemand erinnert sich an die Asiatische Grippe 1957/58 oder die Hongkong-Grippe 1968/69. Außer den medizinischen Daten ist wenig dokumentiert. Vielleicht haben es diese Epidemien deshalb nicht ins kollektive Gedächtnis geschafft.
AutorKontaktHannelore Gießen
Datum 14.08.2020  07:00 Uhr

In China verspeist ein Mann ein Gürteltier, das er auf dem Markt in Wuhan gekauft hat. Er löst damit eine verheerende Pandemie aus, die die Welt verändert. So könnte eine Erzählung über die Coronakrise beginnen. Ob sie so los ging und wie sie weitergeht, wissen wir noch nicht. Was einmal als Ende definiert werden wird, wissen wir auch nicht. Ein scheinbar kleines Ereignis und eine Folge von Zufällen haben zu weltweiten Verwerfungen geführt, zu einem Wendepunkt in der Geschichte.

Im Augenblick haben wir keine Ahnung, wie lange die Pandemie dauern wird, welcher Zeitraum einmal in den Geschichtsbüchern als die sogenannten Coronajahre bezeichnet werden wird. Was dort stehen wird, hängt von den Entscheidungen der Politik und von Zeitzeugnissen in Bibliotheken und Archiven ab, aber auch von gesammelten persönlichen Dokumenten, zum Beispiel im »coronarchiv«.

Erinnerungen brauchen einen Anker im Gedächtnis, an dem sich Zahlen, Bilder und Berichte festmachen lassen. Es liegt also jetzt in unserer Hand, zu diesen Erinnerungen beizutragen. Das dachten sich auch vier Historiker der Universitäten Hamburg, Bochum und Gießen. Bereits Ende März entwickelten sie die Idee, vielfältige Erinnerungen, welche die Bürger zur Verfügung stellen, in einem Public History-Projekt zu sammeln. Sie initiierten ein Online-Portal, das Texte, Bilder und Gedanken zur Corona-Pandemie für die Nachwelt festhält.

»Wir wollen ein Archiv schaffen, das die individuellen Erfahrungen in dieser Zeit sammelt und den Menschen hilft, zu dokumentieren, was sie jetzt wichtig finden«, erklärt Professor Dr. Thorsten Logge, einer der Initiatoren des digitalen »coronarchivs«, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. Der Hamburger Hochschullehrer für Public History und seine Kollegen Professor Dr. Christian Bunnenberg (Bochum), Benjamin Roers (Gießen) und Nils Steffen (Hamburg) haben dazu aufgerufen, persönliche Beiträge, Fotos, Audiologs oder Videos, die das Leben während der Pandemie beleuchten, online hochzuladen.

Das Coronavirus und die durch die Infektionswelle ausgelösten politischen Maßnahmen verändern unseren Alltag, unsere Arbeit und unser Zusammenleben. Schon heute werden die Pandemie und ihre Folgen als historisch bezeichnet. Die jetzt gesammelten Zeitzeugnisse werden prägen, wie später über die »Coronakrise« gedacht und gesprochen wird.

»Anfangs erhielten wir vor allem Bilder, welche das veränderte Leben zeigten: der abgesperrte Spielplatz, das leere Supermarktregal, die ungenutzte Litfaßsäule, die selbst genähten Masken, der fast menschenleere Berliner Alexanderplatz«, berichtet Logge. In der nächsten Phase wurden Hoffnung und Appelle an das Durchhaltevermögen dokumentiert: der Applaus von den Balkonen, die selbst komponierten Coronasongs, die Klavieraufnahme der Europahymne aus dem Wohnzimmer. In den letzten Wochen zeigen die Einsendungen die Erwartungen an einen (fast) normalen Alltag.

Rund 4000 Beiträge wurden seit Beginn des Projektes eingereicht, von denen aktuell fast 3000 freigeschaltet sind. Damit sei das »coronarchiv« nach dem US-amerikanischen »A Journal of a Plague Year« die weltweit zweitgrößte Sammlung dieser Art, berichtet der Hamburger Historiker.

In erster Linie zeigen die Beiträge die Einschränkungen des persönlichen Lebens. Die Beschneidung der Freiheit, die seit Langem so selbstverständlich ist, stellt eine Herausforderung dar. »Wir sehen kaum Beiträge zu den unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen oder zu den gesundheitlichen Bedrohungen. Angst und Unsicherheit werden allerdings in indirekter Form repräsentiert«, erläutert Logge. So habe ein Schüler seine Sorgen und Probleme mit dem Homeschooling skizziert.

Beim Upload von Beiträgen in das »coronarchiv« werden die eingestellten Objekte automatisch mit Metadaten wie Entstehungsdatum und -ort versehen. Eine Bewertung wird jedoch nicht vorgenommen. Für historische Schlüsse ist es derzeit noch zu früh, doch schafft das Archiv eine breite Grundlage für künftige Forschungsprojekte.

Spiegel der Gesellschaft?

Selbstverständlich kann ein so offenes Projekt die Meinung und Stimmung der Bevölkerung nicht repräsentativ widerspiegeln. »Ich wünsche mir bei den eingestellten Objekten noch mehr Diversität«, sagt Logge. »Unsere Beitragenden sind überwiegend weiß und deutsch und gehören der Mittelschicht an. Wir freuen uns sehr, wenn das »coronarchiv« bei breiteren gesellschaftlichen Kreisen ankommt. Momentan erreichen wir vor allem Menschen, die technikaffin sind und ein Interesse daran haben, sich selbst zu dokumentieren«, führt der Historiker weiter aus.

Seit Ende März existiert das Archiv.  Und auch einige Städte und Landkreise sammeln gezielt. So baut beispielsweise das Kreisarchiv des Landkreises Heilbronn ein regionales »coronarchiv« auf, das bereits über 300 Objekte enthält.

Wie lange wird gesammelt werden? Wenn die Bürger keine Beträge mehr einreichen oder wenn die Fördergelder oder Verträge auslaufen, ist die Sammlung abgeschlossen, so Logge. Eine Langzeitarchivierung soll aber auf jeden Fall gesichert werden, sodass das Archiv weiter von außen genutzt werden kann.

Internationale Vernetzung

Seit Mitte Mai gibt es auch eine englische Seite des »coronarchivs«. Damit sollen sowohl sogenannte native Speaker erreicht werden als auch Menschen, die Englisch als zweite Sprache benutzen. Derzeit wird die Internetseite des »coronarchivs« auch ins Spanische und Portugiesische übersetzt. Das Archiv steht zudem in direktem Austausch mit US-amerikanischen, luxemburgischen und österreichischen Historikern, die ähnliche Projekte gestartet haben.

Die internationale Föderation für Public History, (International Federation for Public History IFPH) hat eine Karte erstellt, um Projekte zu kennzeichnen, die Leben und Geschichten während des Infektionsgeschehens dokumentieren. Weltweit gibt es zahlreiche Datenbanken, die während der Pandemie Erinnerungen und Beobachtungen sammeln. Die Historiker des »coronarchivs« streben eine Vernetzung verschiedener internationaler Projekte an, um später eine vergleichende Forschung innereuropäisch und international zu ermöglichen.

Eine Pandemie, die die enge globale Vernetzung deutlich macht, ist ein historisches Ereignis, wenn auch ein unerwartetes und  höchst unerfreuliches, aber es stellt eine Zäsur dar. Unsere täglichen Erfahrungen, Geschichten, Bilder, Erinnerungsstücke und Sammlungen werden einmal eine primäre Quelle für spätere Generationen darstellen, um zu erfahren, wie es damals war.

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