Erforschung nicht pharmakologischer Alternativen gefordert |
Theo Dingermann |
23.04.2020 09:02 Uhr |
Das schnell gefällte Urteil, dass nicht pharmakologische Interventionsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bisher keiner kritischen Bewertung unterzogen wurden, stimmt so nicht.
Tatsächlich sind nicht medikamentöse Interventionen Gegenstand von etwa 40 Prozent aller klinischen Studien. Allerdings wird diesen Studien sehr viel weniger Aufmerksamkeit gewidmet, als dies für Studien im Bereich der Arznei- und Impfstoffforschung der Fall ist.
Forschung hinsichtlich der Wirksamkeit verschiedener nicht medikamentöser Interventionen sind auch deshalb dringend geboten, da es nicht nur darum geht, die Intervention (zum Beispiel das Händewaschen) qualitativ einzuschätzen. Es geht auch darum, derartige Maßnahmen quantitativ zu bewerten, um diesbezüglich klare Botschaften den Menschen zu vermitteln. Tatsächlich können nicht medikamentöse Interventionen genauso komplex sein wie Arznei- oder Impfstoffe.
Die beiden Professoren an der Bond University in Australien, Tammy Hoffmann und Paul Glasziou, haben kürzlich die aktuelle Studiensituation für »physikalische Interventionen zur Unterbrechung der Ausbreitung von Atemwegsviren« systematisch überprüft. Darunter waren Interventionen wie das Tragen von Masken, Handhygiene, Augenschutz, Abstandhalten, Quarantäne und die Kombinationen dieser Maßnahmen.
Ihnen bot sich ein unstrukturiertes Bündel von Untersuchungen, die teilweise nicht randomisiert und unterdimensioniert waren und die häufig unzureichende Qualitätsstandards aufwiesen, schreiben sie in einem Meinungsbeitrag auf der Plattform »The Conversation«.
So ist die Frage, ob alle derzeit eingesetzten Interventionen einer kritischen Betrachtung standhalten, offen. Man weiß es einfach nicht, und vor allem weiß man nicht, welche Maßnahmen wirklich nützen und welche nicht. Diese Unsicherheit gilt es dringend zu beseitigen, auch um die tatsächlich effektiven Maßnahmen so nachdrücklich zu kommunizieren, dass sich deren Schutzpotenzial auch tatsächlich voll entfalten kann.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.