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Solange Impfstoffe und Arzneimittel fehlen

Erforschung nicht pharmakologischer Alternativen gefordert

Nicht medikamentöse Interventionen wie Quarantäne, Abstandhalten, Händewaschen sowie im medizinisch professionellen Bereich persönliche Schutzausrüstungen haben sich bisher zur Kontrolle der Pandemie als überraschend effektiv erwiesen. Es scheint allerdings eine systematische Bewertung der Einzelmaßnahmen zu fehlen.
Theo Dingermann
23.04.2020  09:02 Uhr

In Ländern, die die frühen Anzeichen der Pandemie ernst genommen und Maßnahmen aus vorliegenden Pandemieplänen zeitig implementiert haben, hat die Pandemie tatsächlich den entschleunigten Verlauf genommen, der als Konsequenz dieser Maßnahmen prognostiziert war. Das alles gelang ohne die Verfügbarkeit wirksamer Virostatika oder schützender Impfstoffe. Es waren nicht medikamentöse Interventionen, durch die sich die Dynamik der Pandemie relevant beeinflussen ließ.

Da nach wie vor unklar ist, wann und ob überhaupt schützende Impfstoffe verfügbar werden, ist es dringend geboten, die einzelnen nicht medikamentösen Interventionsoptionen systematisch zu bewerten. Denn im schlechtesten Fall sind wir vielleicht gezwungen, auf diese Maßnahmen länger setzen zu müssen, als das bisher angedacht ist.

Viel Geld fließt in die Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten

Sehr viel Geld wird derzeit für die Entwicklung wirksamer und verträglicher Medikamente sowie Impfstoffe in die Hand genommen. Das ist auch richtig so, denn die Pandemie stellt uns vor zwei wesentliche Herausforderungen.

  • Zum einen werden dringend Medikamente benötigt, mit denen schwer kranke Covid-19-Patienten behandelt werden können.
  • Zum anderen sind Impfstoffe deshalb von so immenser Bedeutung, da nur über sie ein ethisch akzeptabler Ansatz zum Erreichen der Herdenimmunitätsschwelle denkbar ist, die dringend anzustreben ist, um der Pandemie ihr Bedrohungspotenzial zu nehmen.

Derzeit jedoch sind wir weiter auf nicht medikamentöse Interventionsoptionen angewiesen. Da ist es schon sehr erschreckend, dass über die Effektivität der einzelnen Maßnahmen so wenig bekannt ist, dass beispielsweise öffentlich vehement darüber gestritten wird, ob Abstände von 1, 2 oder 4 Meter einzuhalten sind, ob das Waschen der Hände mit Seife ausreichend ist oder ob zusätzlich ein Desinfektionsmittel anzuwenden ist oder ob das Tragen von Mund-Nasen-Masken sinnvoll ist.

Zu diesen Fragen brauchen wir die Antworten jetzt, um nicht die Menschen zu verunsichern, was unweigerlich Non-Compliance nach sich ziehen würde – mit potenziell schlimmen Folgen.

Wie steht es um die Erforschung nicht medikamentöser Interventionen?

Das schnell gefällte Urteil, dass nicht pharmakologische Interventionsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bisher keiner kritischen Bewertung unterzogen wurden, stimmt so nicht.

Tatsächlich sind nicht medikamentöse Interventionen Gegenstand von etwa 40 Prozent aller klinischen Studien. Allerdings wird diesen Studien sehr viel weniger Aufmerksamkeit gewidmet, als dies für Studien im Bereich der Arznei- und Impfstoffforschung der Fall ist.

Forschung hinsichtlich der Wirksamkeit verschiedener nicht medikamentöser Interventionen sind auch deshalb dringend geboten, da es nicht nur darum geht, die Intervention (zum Beispiel das Händewaschen) qualitativ einzuschätzen. Es geht auch darum, derartige Maßnahmen quantitativ zu bewerten, um diesbezüglich klare Botschaften den Menschen zu vermitteln. Tatsächlich können nicht medikamentöse Interventionen genauso komplex sein wie  Arznei- oder Impfstoffe.

Es mangelt an Studien

Die beiden Professoren an der Bond University in Australien, Tammy Hoffmann und Paul Glasziou, haben kürzlich die aktuelle Studiensituation für »physikalische Interventionen zur Unterbrechung der Ausbreitung von Atemwegsviren« systematisch überprüft. Darunter waren Interventionen wie das Tragen von Masken, Handhygiene, Augenschutz, Abstandhalten, Quarantäne und die Kombinationen dieser Maßnahmen.

Ihnen bot sich ein unstrukturiertes Bündel von Untersuchungen, die teilweise nicht randomisiert und unterdimensioniert waren und die häufig unzureichende Qualitätsstandards aufwiesen, schreiben sie in einem Meinungsbeitrag auf der Plattform »The Conversation«.

So ist die Frage, ob alle derzeit eingesetzten Interventionen einer kritischen Betrachtung standhalten, offen. Man weiß es einfach nicht, und vor allem weiß man nicht, welche Maßnahmen wirklich nützen und welche nicht. Diese Unsicherheit gilt es dringend zu beseitigen, auch um die tatsächlich effektiven Maßnahmen so nachdrücklich zu kommunizieren, dass sich deren Schutzpotenzial auch tatsächlich voll entfalten kann.

Eine Chance für die Zukunft

Man kann davon ausgehen, dass dies nicht die letzte Pandemie sein wird, mit der die Menschheit konfrontiert wird. Daher bietet die aktuelle Coronavirus-Pandemie eine seltene Gelegenheit, rasch Studien durchzuführen, um viele der Fragen zu nicht medikamentösen Interventionen wissenschaftlich sauber zu beantworten.

Hierfür sollten Forschungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Alle Anstrengungen und Finanzmittel nur auf die Impfstoff- und Arzneimittelforschung zu konzentrieren, kann sich sowohl in gesundheitspolitischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht als ein leichtsinniger und kostspieliger Fehler erweisen.

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