Engpass-Zuschuss von 50 Cent für Apotheken |
Das Bundeskabinett hat dem Lieferengpass-Gesetz heute zugestimmt. Damit will die Regierung Lieferengpässen bei Arzneimitteln vorbeugen. / Foto: IMAGO/Eibner Europa
In der vergangenen Woche war ein angepasster Entwurf des »Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung mit Kinderarzneimitteln« (ALBVVG) bekannt geworden. Im Vergleich dazu enthält die Gesetzesfassung, die das Bundeskabinett heute verabschiedet hat, für Apotheken keine Verbesserungen.
Demnach sollen Apothekenteams auch künftig die Möglichkeit haben, unter bestimmten Bedingungen nicht verfügbare Arzneimittel flexibel auszutauschen. Als nicht verfügbar gilt ein Medikament aber erst, wenn die Pharmazeuten es »innerhalb einer angemessenen Zeit« und nach Anfrage bei mindestens zwei Großhändlern nicht beschaffen können. Laut Gesetzentwurf dürfen Apotheken künftig ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung abweichen, »sofern hierdurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird«. Die Medikamente dürfen hinsichtlich der Packungsgröße, der Packungsanzahl sowie der Wirkstärke abweichen, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen. Zudem können Apotheken auch Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen abgeben.
Bei einem Austausch sind Beanstandungen und Retaxationen nicht ausgeschlossen. Diese Regelung, die im Referentenentwurf enthalten war, hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im angepassten Entwurf bereits gestrichen. Ein Aut-simile-Austausch mit Arztrücksprache soll ebenfalls nicht mehr möglich sein. Für Privatversicherte, Beihilfeempfänger und Selbstzahler werden durch eine Änderung der Apothekenbetriebsordnung entsprechende vereinfachte Austauschregelungen in der Apotheke vorgesehen.
Während die ABDA als Ausgleich für den Aufwand der Apothekenteams beim Engpass-Management eine Pauschale in Höhe von 21 Euro gefordert hatte, sieht der von der Bundesregierung nun beschlossene Entwurf weiterhin einen Zuschuss von 50 Cent vor. Freuen kann sich hingegen der Apotheken-Großhandel. So sollen auch Großhändler »im Fall eines Austauschs eines verordneten Arzneimittels durch die Apotheke« künftig einen Zuschlag von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer erheben dürfen. Im vorläufigen Regierungsentwurf, der in der vergangenen Woche bekannt geworden war, war noch von 20 Cent die Rede. Die Bundesregierung schätzt, dass den Krankenkassen durch die Lieferengpass-Zuschläge für Apotheken und den pharmazeutischen Großhandel jährliche Mehrausgaben in Höhe von rund 16 Millionen Euro entstehen werden, heißt es im Gesetzentwurf.
Lauterbach stellte heute in Berlin in einer Pressekonferenz zentrale Inhalte des neuen Kabinettsentwurfs vor. »Seit zehn Jahren wird über Lieferengpässe berichtet. Mit dem aktuellen Gesetz gehen wir das Problem jetzt in mehreren Stufen an«, sagte der Minister. Wie in seiner gesamten Regierungsarbeit habe er auch hier nach der Maxime »Kinder zuerst« gehandelt. »Ich möchte es nicht mehr erleben, dass wir Kinder nicht mit Arzneimitteln versorgen können«, betonte Lauterbach. Aus diesem Grund sollen bei Kinderarzneimitteln die Preisregeln gelockert werden. Mit den Neuregelungen werde es für die Arzneimittel-Hersteller interessanter, Arzneimittel für Kinder in Deutschland anzubieten, zeigte sich der Minister überzeugt. So sollen bei Kinderarzneimitteln Festbeträge und Rabattverträge abgeschafft werden. Pharmazeutische Unternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages beziehungsweise Preismoratoriums-Preises anheben.
Um die Abhängigkeit von wenigen, meist asiatischen Produzenten zu verringern, sieht der Gesetzentwurf auch Änderungen am Rabattvertragssystem vor. So sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, mindestens die Hälfte der Lose so auszuschreiben, dass Hersteller zum Zuge kommen, die ihre Wirkstoffe in Europa produzieren lassen. Neu am Kabinettsentwurf ist, dass dies nur noch für Antibiotika gelten soll, und nicht mehr – wie bislang vorgesehen – auch für Krebsmedikamente. »Wir wollen erstmal mit Antibiotika Erfahrungen sammeln«, erklärte dazu Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Danach werde das Ministerium prüfen, ob diese Regelung auch für Onkologika infrage komme, versprach er.
Die Zuzahlungsbefreiungsgrenze soll künftig bei 20 statt wie bislang bei 30 Prozent liegen. Das soll den Preisdruck für die Generikahersteller senken. Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen. Dies verbessere die Gewinnmargen deutlich, zeigte sich Lauterbach bei der Vorstellung des Kabinettsbeschlusses überzeugt.
Konkretisiert wurden im Regierungsentwurf die Vorgaben zur Lagerhaltung. Um die Versorgung der Patienten auch bei vorübergehenden Lieferengpässen und höherem Bedarf sicherzustellen, sollen Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken verpflichtet werden, Arzneimittel für die intensivmedizinische Versorgung künftig sechs Wochen zu bevorraten. Das soll für Medikamente zur parenteralen Anwendung sowie für Antibiotika gelten. Im Referentenentwurf war noch eine Bevorratungspflicht von acht Wochen vorgesehen.
Damit kurzfristige und kurzzeitige Störungen in der Lieferkette schnell ausgeglichen werden können, sieht der Gesetzentwurf zudem eine verbindliche, dreimonatige Lagerhaltung von rabattierten Arzneimitteln für Rabattverträge vor. Für Antibiotika sollen die Lager sogar für sechs Monate reichen.
Weiterhin sieht der Gesetzentwurf folgende Regelungen vor: