England: Covid-19-Impfung in der Apotheke |
Jennifer Evans |
29.12.2020 13:00 Uhr |
Die Offizinen in Großbritannien müssen einige Anforderungen erfüllen, um an dem neuen Impfprogramm teilnehmen zu können. Mit Blick auf Räumlichkeiten und Personal werden es größere Apotheken deutlich leichter haben. / Foto: iStock/georgeclerk
Die Coronavirus-Krise hat Großbritannien besonders hart getroffen. Das staatliche Gesundheitssystem National Health Service (NHS) kränkelt ohnehin schon seit Jahren. Und noch dazu wird Premierminister Boris Johnson vorgeworfen, sowohl falsch als auch zu spät auf die Pandemie reagiert zu haben. Die Apotheken standen unter besonders hohem Druck. Im Mai 2020 bedankte sich schließlich die Schirmherrin der Royal Pharmaceutical Society (RPS), König Elizabeth II, bei den Apotheken für ihr großes Engagement während der Pandemie. Auf dem Twitter-Account des Palasts hieß es: »Wir zollen allen Pharmazeuten und Apotheken Tribut, weil sie unter so großem Druck unermüdlich arbeiteten, damit die Menschen sicher und gesund bleiben.«
Wenn alles glatt läuft, können Patienten in Großbritannien ab Ende Dezember ihre Covid-19-Impfung in der Apotheke vor Ort bekommen. Die Impfung ist freiwillig und zunächst sollen sie Bewohner von Pflegeheimen sowie Menschen über 80 Jahre und Personen, die im Gesundheitswesens tätig sind, erhalten. Nach Angaben der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU), dem Zusammenschluss der EU-Apotheker, nimmt das Vereinigte Königreich eine Sonderstellung ein. Es ist demnach das einzige Land Europas, das für Offizin-Apotheken klare Regeln schafft, wann und unter welchen Umständen sie gegen Covid-19 impfen dürfen. Der NHS und NHS Improvement (NHSE&I), der für das Gesundheitsministerium die Wirtschaftlichkeit der Aktion überwacht, entscheiden zusammen, welche Apotheken für diese Aufgabe geeignet ist. In der Schweiz dürfen Pharmazeuten in den Offizinen jedoch auch bald gegen Covid-19 impfen.
Die Offizinen in Großbritannien müssen allerdings einige Anforderungen erfüllen, um an dem Impfprogramm teilnehmen zu dürfen. So muss der Betrieb beispielsweise pro Woche mindestens 1000 Impfdosen verabreichen und den Patienten ermöglichen, sich an sieben Tagen in der Woche zwischen 8 Uhr und 20 Uhr impfen zu lassen – auch an Feiertagen. Dazu fordern NHS und NHSE&I entsprechende räumliche und personelle Voraussetzungen für die teilnehmenden Apotheken. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit, einen Patienten 15 Minuten lang überwachen zu können, bevor er nach der Impfung etwa wieder ins Auto steigt.
Die Schutzausrüstung wie Schürzen, Augenschutz, Masken, Müllbeutel, Kühlboxen und Handschuhe wird zentral über den sogenannten Covid-19 Vaccination Channel (CVC) bereitgestellt. Für die Lagerung müssen die Apotheken allerdings ausreichend Platz vorweisen. Auch die geografische Lage muss stimmen, bevor ein Betrieb als Impf-Apotheke in Frage kommt. Gleichzeitig wird gefordert, dass so viel Personal zur Verfügung stehen muss, dass die Arzneimittelversorgung auf keinen Fall leidet. Medienberichten zufolge hält sich die Apothekenkette Lloyds Pharmacy besonders geeignet für diese Aufgabe.
Geplant ist, dass Patienten ihren Impftermin über den Hausarzt buchen, etwa auf dessen Website oder einem seiner Kooperationspartner. Alternativ sieht der NHS vor, Termine über ein zentrales Netzwerk zu vergeben. In diesem Fall kann der Patient gleich angeben, in welche Apotheke der Impfstoff geliefert werden soll. Wie das Fachblatt »The Pharmaceutical Journal« (PJ) berichtet, bekommen teilnehmende Apotheken 12,58 Britische Pfund (fast 14 Euro) pro Impfung und 25,16 Britische Pfund (knapp 28 Euro) für den Fall, dass es sich um einen Impfstoff handelt, der in zwei Dosen im Abstand von drei bis fünf Wochen verimpft werden muss. Die ganze Aktion wird unter anderem mit Mitteln sowie weiteren Zuschüssen unterstützt, die eigentlich rund um die diesjährige Grippewelle vorgesehen waren.
Laut PJ hat der NHS den Offizin-Apotheken kürzlich mitgeteilt, dass die teilnehmenden Betriebe ab Ende Dezember 2020 beziehungsweise Anfang Januar 2021 bereits mit den Impfungen loslegen sollen. In einem Informationsschreiben hob der Gesundheitsdienst außerdem hervor, wie essenziell mit Blick auf die ausstehenden Massenimpfungen »ein guter pharmazeutischer Überblick« ist, um die Sicherheit der Patienten zu garantieren.
Seit dem Sommer schon bieten knapp 500 Apotheken in ganz Großbritannien einen Covid-19-Antikörper-Schnelltest an, also einen Point-of-Care (POC)-Test. Unter anderem ist die Apothekenkette Weldricks Pharmacy dabei. Durchführen darf den Test nur medizinisches Fachpersonal, zu dem Apotheker und Pharmazieingenieure gehören. Wie in Deutschland auch, darf er nicht an Patienten abgegeben werden, die sich damit selbst zuhause testen.
Darüber hinaus arbeitet der NHS England an einem Pilotprojekt in West Yorkshire, bei dem Offizinen Covid-19-Test-Kits verteilen sollen. Ziel ist es, einen niedrigschwelligen und lokalen Zugang zu diesen PCR-Tests zu ermöglichen und zugleich das große Vertrauen der Bevölkerung in die Apotheker zu nutzen, zitiert das PJ den NHS. Die Hoffnung ist, dass mithilfe der Kits aus den Apotheken die Testrate in den Kommunen ansteigt. Offizinen steht es frei, diesen Service anzubieten. Allerdings dürfen sie die Kits nur an Menschen abgegeben, die selber keine Symptome zeigen und nicht im selben Haushalt mit jener Person leben, für die der Test gedacht ist. Das NHS-Pilotprojekt ist eine Reaktion auf die Ankündigung der Apothekenkette Boots, schon bald Antigen-Schnelltests verkaufen zu wollen. Die britischen Apothekerorganisationen hatten sich Anfang des Jahres noch gegen solche PCR-Tests ausgesprochen. Doch sie wollen offenbar ihre Einschätzung noch einmal überdenken.
In der Miniserie »Apotheken in der Coronavirus-Pandemie« stellt die PZ vor, wie Apotheker mit der Krise in anderen Ländern umgehen und welche Beiträge sie dort leisten, um die Pandemie einzudämmen. Den Anfang machte die Schweiz – dort dürfen Apotheker beispielsweise auf SARS-CoV-2 testen und gegen Covid-19 impfen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.