EMA sieht kaum Rückgang der Verordnungen |
Annette Rößler |
15.05.2023 16:30 Uhr |
Trotz geltender Einschränkungen werden Fluorchinolone in der EU noch zu häufig verordnet, bemängelt die EMA. / Foto: Imago Images/Westend61
Um an die geltenden Einschränkungen bei der Verordnung von Fluorchinolonen zu erinnern, verschickt die EMA nun einen Rote-Hand-Brief. Ob das dazu führen wird, dass die Antibiotika weniger häufig verordnet werden, ist allerdings fraglich. Denn die Einführung der Anwendungsbeschränkungen und die entsprechende Risikokommunikation liegen erst wenige Jahre zurück – sind aber laut einer Untersuchung der EMA weitgehend folgenlos geblieben.
Der Pharmakovigilanzausschuss der EMA weist jetzt erneut darauf hin, dass Fluorchinolone wie Ciprofloxacin und Ofloxacin Reserveantibiotika sind. Das bedeute, dass sie insbesondere nicht eingesetzt werden sollen
Die Verordnung von Fluorchinolonen sei zu unterlassen, wenn bei einem Patient unter einer früheren Therapie mit einem Fluorchinolon oder einem Chinolon bereits schwere Nebenwirkungen aufgetreten sind. Bei älteren Menschen, Patienten mit Niereninsuffizienz und nach einer Organtransplantation sei besondere Vorsicht geboten, da diese ein erhöhtes Risiko für Sehnenverletzungen trügen. Zudem sei die gleichzeitige Gabe von Fluorchinolonen und Corticosteroiden zu vermeiden.
Alle diese Warnungen sind nicht neu. Bereits seit 2019 gelten entsprechende Einschränkungen. Neu sind dagegen die Ergebnisse einer Studie im Auftrag der EMA, die den Einsatz von Fluorchinolonen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Spanien zwischen 2016 und 2021 untersuchte. Deren ernüchterndes Fazit lautet: Die Maßnahmen, die die EMA damals ergriff, hatten – wenn überhaupt – nur einen geringen Effekt auf die Häufigkeit der Verwendung der Fluorchinolone.
Zwar räumt die EMA ein, dass verschiedene Faktoren die Aussagekraft der Studienergebnisse schmälern, was bei der Interpretation berücksichtigt werden sollte. So sei der Einsatz der Fluorchinolone etwa in Deutschland bereits vor dem erwähnten Rote-Hand-Brief zurückgegangen, was vermutlich ein Verdienst des Antibiotic Stewardships sei. Nichtsdestotrotz sollen Angehörige der Heilberufe mit der erneuten Warnung daran erinnert werden, diese Antibiotika nur noch mit der entsprechenden Zurückhaltung zu verordnen.
Man kann es als Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit werten, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nun mit einem Rote-Hand-Brief an die Verordnungseinschränkungen erinnert, die für Fluorchinolone gelten. Denn warum sollte die Erinnerung an eine Warnung, die erst kurze Zeit zurückliegt, aber offenbar weitgehend ungehört verhallte, mehr Aufmerksamkeit erhalten als die ursprüngliche Botschaft? Sicher: Dass Ciprofloxacin und Co. weiterhin so häufig eingesetzt werden, liegt in manchen Fällen an einer Denkweise à la »das hab ich doch schon immer so gemacht«, die auch in der Medizin die Umsetzung von neuen Empfehlungen erschweren kann. Das ist aber nicht der einzige Grund. Es liegt vielfach auch an einem generell zu wenig kritischen Einsatz von Antibiotika. Und schließlich gehört auch zur Wahrheit, dass die grassierenden Lieferengpässe mittlerweile die Auswahl von verfügbaren Antibiotika stark einschränken können. Auch das vorübergehende Fehlen von anderen, besser verträglichen Wirkstoffen kann eine Fluorchinolon-Gabe alternativlos machen.
Annette Rößler, Redakteurin Pharmazie