Eine Lanze für nachhaltige Vorbereitung |
Bei einer Podiumsdiskussion sprachen sich Experten wie PEI-Präsident Professor Klaus Cichutek (2. von links) dafür aus, in der Pandemie geschaffene neue Strukturen beizubehalten. Auch die Grundlagenforschung müsse verstärkt werden. / Foto: Johann S. Walther
In den vergangenen drei Jahren ist viel Geld geflossen, um das Gesundheitssystem gut durch die Pandemie zu bringen. Nun befürchten Experten, dass gerade erst geschaffene Ressourcen und Errungenschaften wieder eingespart werden. Sie fordern eine nachhaltige Förderung zum Beispiel der Forschung und die Weiterführung begonnener Projekte, um für künftige Pandemien gut gewappnet zu sein. Das wurde auf einer Expertendiskussion beim »Hauptstadt Summit« des »House of Pharma & Healthcare« in Berlin deutlich.
»Infektionen bekämpfen – was haben wir aus bisherigen Pandemien gelernt?« – über dieses Thema diskutierte der PEI-Präsident mit Professorin Susanne Herold, Leiterin der Klinik für Innere Medizin und Infektionskrankheiten der Lunge am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM), dem Bundestagsabgeordneten und Mitglied im Unterausschuss Globale Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Georg Kippels (CDU), sowie mit Daniel Kalanovic, Country Medical Director Germany von Pfizer Deutschland.
Was den bisherigen Verlauf der Covid-19-Pandemie angeht, zog Cichutek ein positives Fazit. »Wir hatten großes Glück und haben sehr sichere Impfstoffe zur Verfügung«, sagte er bei der Veranstaltung in der Hessischen Landesvertretung in Berlin. Auf seltene Nebenwirkungen habe das PEI schnell reagiert. Um für künftige Pandemien gut gerüstet zu sein, »müssen wir aber noch sehr viel mehr tun«, machte der PEI-Präsident deutlich. Er äußerte die Sorge, dass die Mittel, die »wir in der Pandemie bekommen haben, um unsere Systeme zu stärken«, jetzt wieder weggenommen würden. So wünsche er sich, dass das Projekt des PEI zur Pandemiebekämpfung fortgeführt werde. Das Zentrum für Pandemie-Impfstoffe und -Therapeutika (ZEPAI) hat erst im Mai dieses Jahres die Arbeit aufgenommen. Es wurde im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) eingerichtet und soll hierzulande die Impfstoffversorgung in der Pandemie aktiv steuern. Ziel sei es, innerhalb von sechs Monaten neue Impfstoffe bereitstellen zu können, berichtete Cichutek. Dafür baue das PEI gerade ein multidisziplinäres Expertenteam auf.
Herold hob als positiv hervor, dass in den vergangenen drei Jahren das Fach Infektiologie aufgewertet worden sei. Facharztstellen für Infektiologie hätten sich so etabliert, dass sie nun als gleichwertig etwa mit Kardiologen angesehen würden. Nun müsse das Fach auf klinischer und wissenschaftlicher Seite gestärkt werden. Herold wies zudem daraufhin, dass in der Pandemie ein Großteil der Innovation in der Grundlagenwissenschaft entwickelt wurde. Bis Studien durchgeführt würden, dauere es aber sehr lange, im Schnitt acht bis zehn Jahre. Und es fehle die Infrastruktur, um die Studienergebnisse schnell umsetzen zu können. »Wir brauchen Anreize für klinische Forschung in Deutschland«, forderte Herold. Außerdem müssten »Translation Hubs« geschaffen werden, um Forschungsergebnisse schnell in die Praxis zu überführen.
Kippels kritisierte den Aktionismus, mit dem die Politik während der Pandemie versucht habe, Lücken wie die anfangs fehlende Schutzausrüstung schnell zu schließen. Deutschland sei zwar insgesamt ganz gut durch die letzten drei Jahre gekommen, es müsse aber in der nächsten Pandemie besser laufen. Er sprach sich ebenfalls dafür aus, die Grundlagenforschung voranzutreiben. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass beispielsweise die Genomsequenzierung vorankomme. Da antibakterielle Resistenzen zunehmen und es zuletzt Ausbrüche von Tuberkulose gegeben habe, sei verstärkt Forschung im Bereich der bakteriellen Infektionen notwendig. Kippels forderte zudem die Einführung eines Impfregisters. »Wir haben bei diesem Thema kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem«, sagte der CDU-Politiker.
Kalanovic hob hervor, dass die Partnerschaft mit Biontech bei der Herstellung des Covid-19-Impfstoffes gut funktioniert habe und funktioniere. Während der Pandemie habe sich der Zeitraum von der Veröffentlichung von Studienergebnissen bis zur Produktion neuer Medikament verkürzt. So habe Pfizer im Januar 2021 mit der Entwicklung von Paxlovid angefangen, und zwölf Monate später bereits das antivirale Covid-19-Medikament auf den Markt gebracht. 80 Prozent der Wirkstoffe, die Pfizer herausbringe, seien neu, informierte Kalanovic.
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