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Desensibilisierung

Eine Kapsel gegen Erdnussallergie

Mit Palforzia® ist erstmals eine orale Immuntherapie für Kinder mit Erdnussallergie verfügbar. Das Arzneimittel enthält steigende Dosen Erdnussprotein, wodurch die Toleranz gegenüber Erdnüssen erhöht und schwere allergische Reaktionen verhindert werden sollen.
Kerstin A. Gräfe
08.10.2021  13:00 Uhr

Eine Allergie gegen Erdnuss zeichnet sich dadurch aus, dass bereits wenige Mikrogramm an Erdnussprotein ausreichen können, um lebensbedrohliche Symptome hervorzurufen. Sie tritt häufig bereits im Kindesalter auf und bleibt, im Gegensatz zu den meisten anderen Nahrungsmittelallergien, oft lebenslang bestehen. Eine Heilung der Betroffenen ist nicht möglich. Eine Immuntherapie kann aber dabei helfen, den Schweregrad allergischer Reaktionen nach einem Kontakt mit Erdnüssen zu verringern.

Mit Palforzia, das bereits im Dezember vergangenen Jahres zugelassen wurde, kann die Immuntherapie bei Erdnussallergie erstmals oral erfolgen. Eingesetzt werden darf das neue Medikament bei Kindern im Alter zwischen vier und 17 Jahren mit diagnostizierter Erdnussallergie; eine bereits begonnene Anwendung kann bei Patienten, die 18 Jahre und älter sind, fortgeführt werden. Das Immuntherapeutikum ist kein Freifahrtschein für Flips und Co. Die Fachinformation betont, dass die Anwendung in Verbindung mit einer erdnussfreien Ernährung zu erfolgen hat.

Palforzia enthält als Wirkstoff entfettetes Proteinpulver aus der Erdnuss, botanisch korrekt aus dem Samen von Arachis hypogaea L. Es ist in steigender Menge (0,5 mg, 1 mg, 10 mg, 20 mg, 100 mg) in den Kapseln beziehungsweise im Beutel (300 mg) enthalten. Die Behandlung stellt eine Desensibilisierung dar: Der Allergiker wird steigenden Dosen des Allergens ausgesetzt, wodurch die Toleranz erhöht werden soll.

Die Anwendung erfolgt den drei aufeinanderfolgenden Phasen initiale Aufdosierung, Dosissteigerung und Erhaltung, von denen die ersten beiden ärztlich überwacht werden müssen. In der initialen Aufdosierungsphase nehmen die Allergiker an einem einzigen Tag 0,5 mg, 1 mg, 1,5 mg, 3 mg und 6 mg Palforzia ein. Zwischen allen Dosen sollte ein Beobachtungszeitraum von 20 bis 30 Minuten liegen.

Ohne Kapselhülle einnehmen

Toleriert der Patient die initiale Aufdosierung, startet vorzugsweise am darauffolgenden Tag die Phase der Dosissteigerung. Sie besteht aus elf Dosisstufen (3 mg, 6 mg, 12 mg, 20 mg, 40 mg, 80 mg, 120 mg, 160 mg, 200 mg, 240 mg und 300 mg), wird also mit der 3-mg-Dosis eingeleitet. Jede Dosisstufe dauert zwei Wochen. Die erste Dosis jeder neuen Dosissteigerungsstufe wird unter ärztlicher Aufsicht in einer spezialisierten Gesundheitseinrichtung gegeben, in der potenziell schwere allergische Reaktionen einschließlich Anaphylaxie behandelt werden können. Während der Dosissteigerung müssen alle Einzeldosen einer Stufe von derselben Charge stammen, um Schwankungen in der Wirkstärke zu vermeiden.

Nachdem sie die erste Dosis einer neuen Stufe eingenommen haben, müssen die Patienten mindestens 60 Minuten lang beobachtet werden, bevor sie entlassen werden können. Wenn Patienten die erste Dosis einer erhöhten Dosisstufe tolerieren, können sie die Anwendung mit dieser Dosisstufe zu Hause fortsetzen. Werden auch 300 mg toleriert, beginnt die Erhaltungsphase mit 300 mg täglich.

Diese Dosis muss fortan dauerhaft täglich eingenommen werden, um die Desensibilisierung gegenüber Erdnüssen aufrechtzuerhalten. Versäumte Dosen stellen demzufolge ein erhebliches Risiko für die Patienten dar. Für das Vorgehen bei versäumten Einnahmen finden sich in der Fachinformation detaillierte Angaben.

Bei der Einnahme werden die Kapseln nicht im Ganzen geschluckt, sondern geöffnet und das Pulver ohne die Kapselhülle eingenommen. Dabei muss das Einatmen des Pulvers vermieden werden. Es sollte mit einigen wenigen Löffeln voll halbfester/cremig-breiiger Nahrung, zum Beispiel Fruchtmus, Joghurt oder Milchreis vermischt werden. Die Nahrungsmittel sollen dabei nicht heiß sein, sondern Kühlschrank- oder Raumtemperatur haben. Flüssigkeiten dürfen nicht verwendet werden. Die Dosen sollten immer zur gleichen Zeit und nicht auf nüchternen Magen eingenommen werden. Jeweils zwei Stunden vor und nach einer Dosis sollte kein Alkohol konsumiert werden.

Verordnung nur mit Adrenalin-Pen

Während der Behandlung kann es zu allergischen Reaktionen kommen. Diese treten meistens in den ersten zwei Stunden nach der Einnahme einer Palforzia-Dosis auf und sind in der Regel leicht oder mäßig ausgeprägt; gelegentlich können sie jedoch auch schwer ausfallen.

Für den Fall einer allergischen Reaktion müssen Patienten, die Palforzia erhalten, Adrenalin zur Selbstinjektion verordnet bekommen und dieses jederzeit mit sich führen. Auch Eltern und Betreuende müssen in der Anwendung des Autoinjektors geschult sein. Dass sich Palforzia selbst nicht zur Linderung allergischer Symptome eignet, ist für Apotheker selbstverständlich, sollte aber den Patienten noch einmal explizit gesagt werden.

Ein Behandlungsbeginn mit Palforzia während der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. Bei Patientinnen, die unter der Behandlung schwanger werden, sollten die Vorteile der Aufrechterhaltung der Desensibilisierung gegen die Risiken einer anaphylaktischen Reaktion abgewogen werden. Ähnliches gilt für die Stillzeit.

Mehr als die Hälfte toleriert 1000 mg Erdnussprotein

Die Zulassung basiert unter anderem auf den Ergebnissen der Phase-III-Studien PALISADE und ARTEMIS. Die Wirksamkeit wurde mithilfe einer doppelblinden, placebokontrollierten Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC) ermittelt. In beiden Studien war der primäre Endpunkt der Anteil der Studienteilnehmer im Alter von vier bis 17 Jahren, die bei der Abschluss-DBPCFC eine einzelne Höchstdosis von mindestens 1000 mg Erdnussprotein tolerierten und dabei höchstens leichte allergische Symptome zeigten (Desensibilisierungs-Ansprechrate).

In PALISADE tolerierten 50,3 Prozent der Erdnussallergiker unter Palforzia und 2,4 Prozent unter Placebo am Ende 1000 mg Erdnussprotein. In ARTEMIS war dies bei 58,3 Prozent der Palforzia-Teilnehmer und bei 2,3 Prozent der Placebogruppe der Fall. Dass die Wirksamkeit anhält, wurde in Verlängerungsstudien mit einer Erhaltungstherapie mit 300 mg täglich gezeigt.

Als häufigste Nebenwirkungen traten Bauchschmerzen, Rachenreizung, Juckreiz, Übelkeit, Erbrechen, Urtikaria, oraler Juckreiz und Oberbauchbeschwerden auf.

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