Ein Rebound ist erstaunlich häufig – auch ohne Paxlovid |
Theo Dingermann |
16.11.2022 17:00 Uhr |
Paxlovid wird vor allem in der Laienpresse mit einem Rebound-Phänomen assoziiert. Zu Unrecht wie eine große prospektive Beobachtungsstudie nahelegt. / Foto: Imago Images/Steinach
Der Einsatz von Paxlovid™ zur Behandlung von Covid-19 bei infizierten Risikopatienten wird vielfach kritisch gesehen. Dies unter anderem auch deshalb, da immer wieder über Rebound-Phänomene berichtet wird. Vielfach waren bekannte Persönlichkeiten betroffen, darunter das amerikanische Präsidenten-Ehepaar Biden, der amerikanische Chef-Epidemiologe Dr. Anthony Fauci oder die CDC-Direktorin Dr. Rochelle Walensky. Dieser Verdacht ließ sich jedoch bislang durch harte epidemiologische Daten nicht bestätigen.
Um die Frage objektiv zu klären, haben Forschende um Professor Jay A. Pandit, Director of Digital Medicine am Department of Molecular Medicine des Scripps Research Translational Institute in La Jolla, eine dezentrale, digitale, prospektive Beobachtungsstudie initiiert, deren Ergebnisse jetzt als Preprint auf dem medRxiv-Server publiziert wurden. Ziel der Studie war es, die Epidemiologie eines Rebounds bei mit Paxlovid behandelten und unbehandelten Patienten mit akuter Covid-19 prospektiv zu vergleichen.
Die Studie wurde im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen dem Scripps Research Translational Institute (SRTI) und der virtuellen Pflegeplattform eMed konzipiert. Bei eMed handelt es sich um ein Programm, das die Nutzer bei häuslichen Selbsttests unterstützt und diese dann automatisch zu einer telemedizinischen Beratung weiterleitet, um gegebenenfalls eine Therapie einzuleiten.
Es wurden Teilnehmer in die Studie eingeschlossen, wenn diese mindestens 18 Jahre alt waren, diese positiv mithilfe eines Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 getestet waren, das Ergebnis von der eMed-Telemedizin verifiziert worden war und denen Paxlovid über die eMed-Telemedizin verschrieben wurde (unabhängig davon, ob sie es einnehmen wollten).
Die Teilnehmer wurden aufgrund ihrer selbst bestimmten Entscheidung, Paxlovid einzunehmen oder nicht, in eine Paxlovid- und eine Kontrollgruppe eingeteilt. Allen Probanden wurde ein Kit mit zwölf Covid-19-Schnelltests für den Heimgebrauch zugesandt. Sie wurden gebeten, sich 16 Tage lang regelmäßig zu testen und Umfragen zu den Symptomen zu beantworten. Nach der initialen 16-tägigen Beobachtungsphase füllten die Teilnehmer in ein-, drei- und sechsmonatigen Abständen eine Erhebung zu anhaltenden Covid-Symptomen aus.
Als Symptome wurden gewertet: Husten, laufende Nase, Kurzatmigkeit oder Atembeschwerden, Halsschmerzen, heisere Stimme, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Magenschmerzen, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Verwirrtheit sowie Fieber, Schüttelfrost, Zittern mit Schüttelfrost, Geschmacks-/Geruchsverlust, Muskelschmerzen, Schmerzen in der Brust, Augenschmerzen, Körperschmerzen, Müdigkeit, Nackenschmerzen und Ausschlag.
Wenn Teilnehmer nach einem negativen Antigentest erneut ein positives Antigen-Schnelltest-Ergebnis meldeten, galt dies als »viraler (Test-)Rebound«. Meldeten Teilnehmer nach dem Abklingen von Symptomen ein Wiederauftreten der Symptome in einer nachfolgenden Symptomerhebungen, galt dies als »Symptom-Rebound«.
Letztlich ließen sich die Daten von 170 Patienten auswerten, von denen 127 Paxlovid eingenommen hatten und sich 43 gegen eine Behandlung entschieden hatten.
Die Inzidenz für einen viralen Rebound lag in dieser Studie bei Patienten, die mit Paxlovid behandelt wurden, bei etwa 14 Prozent und die Häufigkeit eines Symptom-Rebounds bei etwa 19 Prozent. Beide Inzidenzen sind höher als diejenigen, die in früheren retrospektiven Studien berichtet wurden. Diese lagen zwischen 2 und 6 Prozent.
Zwar sind die Inzidenzen für einen viralen Rebound in der Paxlovid-Gruppe mit etwa 14 Prozent tendenziell höher als in der Kontrollgruppe. Aber auch in dieser Gruppe meldeten 9 Prozent der Patienten einen viralen Rebound. Das entspricht tatsächlich in etwa der Häufigkeit, die in anderen Studien bei unbehandelten Patienten mit Covid-19 berichteten wurde. Hier lag Häufigkeit für einen viralen Rebound bei etwa 12 Prozent. Bei 7 Prozent der Probanden in der Kontrollgruppe wurde zudem ein Symptom-Rebound festgestellt.
Während des akuten 16-tägigen Nachbeobachtungszeitraums gab es keine nennenswerten Unterschiede beim viralen Rebound nach Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen oder Symptomgruppen. Zudem wurden keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Symptomen der Behandlungs- und der Kontrollgruppe im Ein-Monats-Zeitraum festgestellt.
In der Kontrollgruppe berichteten zwei Patienten einen Symptom-Rebound, der weniger als fünf Tage andauerte, und eine Person einen Symptom-Rebound, der fünf Tage oder länger dauerte. In der Paxlovid-Gruppe hatten zehn Patienten einen Symptom-Rebound, der weniger als fünf Tage dauerte. Zehn hatten einen Symptom-Rebound, der fünf Tage oder länger dauerte, und bei vier Patienten traten mehrere Symptomrückfälle während der 16-tägigen Nachbeobachtungszeit auf.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Rebound-Häufigkeit sowohl auf Basis eines positiven Virustests als auch auf Basis der auftretenden Symptome nach Abklingen der Testpositivität oder dem Verschwinden der Symptome höher ist als bisher angenommen. Allerdings gilt das sowohl für die Patienten, die mit Paxlovid behandelt wurden, als auch für die, die während der akuten Phase kein Paxlovid erhalten hatten. Rebound-Phänomene sind also nicht auf Fälle beschränkt, bei denen Covid-19 mit Paxlovid behandelt wurde, wie das durch manche Berichte in der Laienpresse suggeriert wird.
Letztlich konstatieren die Autoren allerdings auch, dass größere Studien erforderlich sind, um diesen sich andeutenden Trend abzusichern.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.