Ein gesundes Maß beim Alkohol finden |
Daniela Hüttemann |
09.08.2022 18:00 Uhr |
Wer Hilfe braucht, um seinen Alkoholkonsum in den Griff zu bekommen, kann auch digitale Unterstützung nutzen. / Foto: Getty Images/Mixmike
Neben weniger umfangreichen, kleineren Apps wie Promillerechnern, Einschätzhilfen für problematischen Alkoholkonsum und Zählern für alkoholfreie Tage gibt es auch eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) als unterstützende Maßnahme zur Behandlung einer Alkoholsucht. Grundlegende Informationen zum Alkoholverzicht bietet auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.kenn-dein-limit.de.
Ein »Trinktagebuch« als App bietet die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Wer hier ehrlich einträgt, bekommt ein Feedback, ob der Alkoholkonsum noch im risikoarmen Bereich ist. Man kann persönliche Konsumgrenzen festlegen und Ziele setzen. Dazu braucht es einige persönliche Angaben. Außerdem verspricht die App Unterstützung, wenn man weniger Alkohol konsumieren will. Das sind automatisierte Tipps, eine persönliche Betreuung findet nicht statt. Es finden sich jedoch Anlaufstellen von Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und auch Fachkliniken. Das »Trinktagebuch« richtet sich nicht an Menschen mit bestehenden oder bekannten alkoholbezogenen Erkrankungen, sondern soll bislang nicht süchtigen Personen helfen, riskanten Alkoholkonsum zu vermeiden. Die App wird von der BKK gefördert und ist kosten- und werbefrei.
»Alkoholfrei – Trinken aufhören (EasyQuit Drinking)« geht das Ganze spielerisch an. Durch Abstinenz lassen sich Abzeichen verdienen, kleine Spiele sollen in schwachen Momenten Ablenkung bringen und es werden diverse Parameter getrackt, die sich durch weniger Alkohol verbessern lassen, wie Gewicht und Schlafqualität. Außerdem rechnet die App aus, wie viel Geld man durch die Abstinenz spart. Zum Betroffenen-Austausch gibt es eine Facebook-Gruppe. Die Basisversion ist kostenfrei (mit Werbung), die werbefreie Pro-Version kostet einmalig 7,49 Euro und soll die weitere Entwicklung der App von Entwickler Mario Herzberg aus Hannover unterstützen.
Realistische Ziele setzen und in kleinen Schritten angehen ist einer der Grundpfeiler des Vorvida-Programms. / Foto: Gaia AG
Verordnungsfähig ist die digitale Gesundheitsanwendung »Vorvida« des Hamburger Unternehmens Gaia, das derzeit vier DiGA im Angebot hat. Die DiGA konnte ihren Nutzen bereits nachweisen und wurde dauerhaft ins DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen. Gedacht ist sie für volljährige Personen mit gesundheitsschädlichem Trinkverhalten bis hin zur Alkoholabhängigkeit. Die Webanwendung soll zur selbstständigen Anwendung in Ergänzung zu einer sonst üblichen Behandlung beim Haus- oder Facharzt eingesetzt werden. Wie bei allen DiGA wird sie quartalsweise verordnet, doch ist die Anwendung über ein halbes Jahr empfohlen. Nicht angewendet werden sollte sie bei Patienten mit psychotischen Störungen oder Suizidrisiko.
Es handelt sich um einen psychotherapeutischen Ansatz, der vor allem auf der kognitiven Verhaltenstherapie fußt. Ziel ist es, die Trinkmenge zu reduzieren. Als Hauptfunktion bezeichnet der Anbieter einen Dialog zwischen dem Nutzenden und einem Algorithmus, der individualisiert die gerade benötigte Information und Unterstützung ermittelt und anbietet.
Optional können sich die Nutzer kurze Nachrichten per SMS oder Mail schicken lassen, die wesentliche therapeutische Inhalte wiederholen oder motivieren sollen, dran zu bleiben. Per Selbsteinschätzung über Fragebögen lässt sich die eigene Situation immer wieder evaluieren. Zudem gibt es Arbeitsblätter und Trainings zum Download sowie Audios zur Anleitung therapeutischer Übungen.
In einer Studie mit 608 Patienten nahm der Alkoholkonsum bei den Probanden deutlich stärker ab, wenn sie zusätzlich zur üblichen Behandlung »Vorvida« nutzten als in einer regulär behandelten Kontrollgruppe. Nach drei Monaten war der Alkoholkonsum um 72 Prozent gegenüber der Kontrollgruppe gesunken (selbstberichtet über die letzten 30 Tage) beziehungsweise um 58 Prozent, wenn nach den letzten sieben Tagen gefragt wurde. Der Effekt war auch noch sechs Monate nach Therapiebeginn nachweisbar. Die Ergebnisse wurden 2019 im »Deutschen Ärzteblatt« veröffentlicht.
In der Serie »PZ App-Check« stellt die PZ digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) indikationsbezogen vor, ergänzt durch weitere aus Sicht der Redaktion empfehlenswerte Gesundheits-Apps. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und es erfolgt keine detaillierte Bewertung. Geachtet wird etwa auf die Seriosität der Anbieter, die Verfügbarkeit sowohl für Apple- als auch Android-Nutzer und die Verfügbarkeit der App in deutscher Sprache. Bisher erschienen sind Beiträge zu den Indikationen Übergewicht, Tinnitus, Depressionen, Reizdarm, Heuschnupfen, Neurodermitis, weiblicher Zyklus, Reisemedizin, COPD, MS, Kopfschmerzen, Bluthochdruck und Schlaganfall, die hier zu finden sind.