Ein ganz besonderer Saft |
Die auf der Oberfläche von Erythrozyten vorhandenen Antigene bestimmen die Blutgruppe. Manche Blutgruppen sind häufig, andere dagegen ausgesprochen selten. / Foto: Adobe Stock/Yuliia (KI-generiert)
Anhand von Antigenen auf den Erythrozyten lässt sich Blut in verschiedene Blutgruppen einteilen. Am besten bekannt sind hier das AB0-System und der Rhesusfaktor. Es gibt jedoch noch weitaus mehr Blutgruppensysteme: Die International Society of Blood Transfusion (ISBT) erkennt 45 Blutgruppensysteme mit 360 Erythrozyten-Antigenen an. Eine weitere Klassifikation, auf die in Deutschland bei Blutspenden routinemäßig getestet wird, ist etwa das Kell-System, auch Kell-Cellano-System genannt.
Das klassische AB0-System sieht wie folgt aus: Bei Blutgruppe A sind auf der Oberfläche der Erythrozyten Antigene vom Typ A vorhanden und bei Blutgruppe B Antigene vom Typ B. Die Blutgruppe AB hat beide Arten und bei Blutgruppe 0 fehlen beide. Träger der Blutgruppe 0 weisen nur das sogenannte H-Antigen auf, das den Antigenen A und B ähnelt, wobei die charakteristischen Kohlenhydratreste fehlen. Sehr selten fehlt auch das Antigen H, dann spricht man von der Bombay-Blutgruppe, die als 0h bezeichnet wird.
Beim Rhesussystem unterscheidet man zwischen Rhesusfaktor (Rh) positiv, wenn das Antigen D vorhanden ist, und Rhesusfaktor negativ, wenn das Antigen D fehlt. Es gibt aber noch weitere Antigene im Rhesussytem, vor allem C, c, E und e. Im Kellsystem werden der Genotyp Kell-negativ (kk, betrifft mehr als 90 Prozent der Menschen) und die beiden Kell-positiven Genotypen Kk und KK unterschieden.
Die Blutgruppen kommen weltweit nicht gleich häufig verteilt vor. Von den genannten Blutgruppen ist AB mit dem Rhesusfaktor negativ die seltenste. Weltweit sowie deutschlandweit haben nur 1 Prozent der Bevölkerung diese Blutgruppe.
Eine Minderheit von Menschen lässt sich keiner der häufigen Blutgruppen zuordnen. Besonders selten ist die Blutgruppe Rhesus Null, die nur etwa einer von sechs Millionen Menschen besitzt. Das Blut dieser Personen ist unter der Bezeichnung »goldenes Blut« bekannt. Rhesus Null bedeutet, dass nicht nur das Antigen D auf den Erythrozyten fehlt wie bei Rhesusfaktor negativen Menschen, sondern alle der insgesamt 56 Antigene, die zum Rhesussystem gehören. Diese Besonderheit geht auf einen Gendefekt zurück.
Blutgruppenmerkmale werden grundsätzlich entsprechend den Mendelschen Regeln vererbt. Dabei verhalten sich die Allele A und B im AB0-Blutgruppensystem gleichwertig zueinander und sind gegenüber dem Allel 0 dominant. Aus dem Genotyp A0 ergibt sich demzufolge die Blutgruppe A.
Im Rhesussystem gibt es ein Allel mit Rh-positiver Eigenschaft und eines mit Rh-negativer Eigenschaft. Bei Mutationen besteht die Möglichkeit, dass keine Antigene dieses Blutgruppensystems exprimiert werden. Dieser Fall kommt allerdings nur sehr selten vor.
Andere Genmutationen, die zu seltenen Blutgruppen führen, sind häufiger. Ein Beispiel dafür ist die schon erwähnte Blutgruppe Bombay. Diese haben 20.000 Menschen weltweit, wovon die meisten in Indien leben.
Beeinträchtigungen bringen diese auf Gendefekten beruhenden Blutgruppen nicht mit sich. Wenn der Patient jedoch eine Bluttransfusion braucht, wird eine sehr seltene Blutgruppe zur Herausforderung. Um lebensgefährlichen Komplikationen bei Bluttransfusionen vorzubeugen, müssen Blutgruppe und Rhesusfaktor von Spender und Empfänger aufeinander abgestimmt sein. Das ist wichtig, da sonst der Empfänger nach der Transfusion Antikörper gegen die unbekannten Antigene bilden kann, die mit den Antigenen der Erythrozyten des Spenderbluts verklumpen. Die Folgen reichen von Hämolyse (Zerstörung der Blutzellen) und Nierenversagen bis zum Schock.
Besonders begehrt bei Blutspendediensten ist die Universal-Blutgruppe 0. Dabei handelt es sich um die Blutgruppe 0 mit dem Rhesusfaktor negativ. Da hier weder die Antigene A und B noch der Rhesusfaktor D vorliegen, kann dieses Blut Menschen mit allen Blutgruppen gegeben werden. Entsprechende Blutpräparate kommen zum Einsatz, wenn in der Notfallmedizin keine Zeit ist, die Blutgruppe des Patienten zu bestimmen. Die Blutgruppe 0 mit dem Rhesusfaktor negativ besitzen in Deutschland allerdings nur 6 Prozent der Menschen (Universalspender).
Blutspenden werden immer benötigt, denn die Haltbarkeit von Blutkonserven und -präparaten ist beschränkt. / Foto: Adobe Stock/ctvvelve
Lange auf Vorrat vorhalten können die Blutspendedienste Blutkonserven nicht so ohne Weiteres. Reguläre Blutpräparate (Erythrozytenkonzentrate) haben nur eine Haltbarkeit von etwa 35 Tagen. Wenn seltenes Blut im Notfall gebraucht wird, kann möglicherweise einer der zwei Blutspendedienste in Deutschland, die Blut in flüssigem Stickstoff gefroren lagern, helfen (Kasten). Bei den tiefgefrorenen Vorräten ist zu beachten, dass diese nicht sofort einsatzbereit sind. Sie müssen zunächst mehrere Stunden aufgetaut und dann gewaschen werden. Die Transportzeit an den Ort, wo sie gebraucht werden, ist ein weiterer Zeitfaktor. Bei planbaren Operationen wird für Menschen mit seltener Blutgruppe am besten eine Eigenblutspende eingeplant.
Spenderblut kann durch ein aufwendiges Verfahren in flüssigem Stickstoff bei –196 °C haltbar gemacht wurden. Die Zellen werden bei der Kryokonservierung tiefgekühlt und altern nicht mehr. Zugefügtes Glycerol verhindert, dass sie platzen. Blutkonserven können dann zehn Jahre und länger aufbewahrt werden. Kryokonservierte Erythrozytenkonzentrate werden in Deutschland nur in Ulm und Hagen vom DRK Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen beziehungsweise dem DRK-Blutspendedienst West gelagert. Der DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen koordiniert die Arbeitsgruppe »Seltene Blutgruppen« der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie.
In Zukunft könnten Gentests bei der Suche nach passenden Blutprodukten unterstützen und dazu beitragen, dass Bluttransfusionen noch sicherer werden. Die Idee ist, dass häufiger als bisher Sequenziermaschinen bei der Bestimung der Blutgruppe zum Einsatz kommen. Sie können in einem Schritt alle für die Blutgruppen relevanten Gene entschlüsseln und auch allelische Varianten bestimmter Blutgruppenmerkmale ermitteln, die bei der routinemäßigen Prüfung von Spenderblut nicht erfasst werden. Dieses Verfahren ist um einiges schneller und effektiver als das bisherige, bei dem die Blutgruppen in mehreren Schritten im Labor ermittelt werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) schätzt, dass die Sicherheit für Patienten durch die neue Methode zunehmen wird. Das könnte zum Beispiel die Behandlung von Patienten mit Sichelzellanämie verbessern, die regelmäßig auf Bluttransfusionen angewiesen sind. Das Verfahren kann auch Patienten mit einer seltenen Blutgruppe helfen, wenn sie eine Bluttransfusion benötigen.