Ein Erfolgs- und Zukunftsmodell |
Daniela Hüttemann |
19.09.2022 18:00 Uhr |
Waren sich einig, dass das Impfen in der Apotheke sich gut etabliert hat und ausgeweitet werden sollte: Prof Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Thomas Preis, Cosima Bauer und Professor Dr. Theo Dingermann (von links). / Foto: PZ/Alois Müller
»Impfen in der Apotheke – heute, morgen und übermorgen« lautete der Titel einer Diskussionsrunde der Pharmaworld vergangene Woche bei der Expopharm in München. »Wir sind aus der Modellphase raus und in der Regelversorgung angekommen«, konstatierte Moderator und PZ Senior Editor Professor Dr. Theo Dingermann. Nachdem er mit seinen Talkgästen über die erfolgreichen Erfahrungen mit dem Impfen in der Apotheke gegen Influenza und Covid-19 in den vergangenen zwei beziehungsweise einem Jahr gesprochen hatte, ging es vor allem darum, wie es mit dem Impfangebot in deutschen Apotheken weitergehen könnte.
In Frankreich hatte man nur wenige Jahre vor Deutschland ebenfalls mit Modellprojekten zur Grippeimpfung in der Apotheke begonnen. Aufgrund des überzeugenden Erfolgs, nämlich einer spürbaren Erhöhung der Impfquoten, wurde die Modellphase frühzeitig abgebrochen und das Impfen in der Apotheke landesweit erlaubt.
Dort ist man nun noch einen deutlichen Schritt weiter voran gegangen, berichtete Cosima Bauer, geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung May und Bauer, die das Modellprojekt in Nordrhein evaluiert hat. »Seit diesem Frühjahr dürfen französische Apotheker und Apothekerinnen nun auch alle Totimpfstoffe verimpfen«, erklärte die Expertin für Gesundheitspolitik, also unter anderem gegen Tetanus, Diphtherie, Polio und Pneumokokken impfen. Sie kann sich vorstellen, dass in Deutschland als nächstes die Impfung gegen FSME in Apotheken verabreicht wird. »Die Grundimmunisierung besteht aus drei Terminen in engen Intervallen – dafür ist die Apotheke prädestiniert«, so Bauer.
»Ich bin mir sicher, dass das kommen wird«, meinte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Dass mehr in der Apotheke geimpft wird, sei politisch gewünscht, um die Ärzte zu entlasten. Auch Preis nannte die FSME-Impfung, da sie als eine der verträglichsten Impfungen gilt. Auch die Pneumokokken-Impfung ist vorstellbar – und falls es wie in New York auch zu einem Fall von Kinderlähmung in Deutschland kommen sollte, wohl auch wie dort eine Einbindung der Apotheken in Polio-Impfkampagnen.
Neben der nachweislichen Sicherheit, dem niedrigschwelligen Zugang, der Erhöhung der Impfquoten und einer begrüßenswerten Kompetenzerweiterung nannte Preis auch einen praktischen Grund, warum mehr Impfungen in Apotheken stattfinden sollten: »Impfen muss zu einem Ganzjahresereignis in den Apotheken werden, damit es sich wirtschaftlich lohnt und von der Personal- und Raumplanung her machbar ist.« Es sei davon auszugehen, dass gegen Covid-19 genau wie gegen die saisonale Grippe demnächst jährlich im Herbst geimpft werde. Preis sprach sich auch dafür aus, dass PTA analog zu medizinischen Fachangestellten (MFA) in Arztpraxen mitimpfen dürfen – »sonst schaffen wir die gewünschten Mengen gar nicht«.
Viel weiteren ärztlichen Gegenwind erwartet Pharmazieprofessor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz nicht: »Dank Leitlinie und Schulungen, die gemeinsam von der Bundesapothekerkammern und der Ärzteschaft erarbeitet wurden, läuft das Impfen in der Apotheke qualitätsgesichert ab. Wir haben hier einen großen gesamtgesellschaftlichen Nutzen und es ist nur logisch und konsequent, wenn die Apotheker mit ihrer Kompetenz hier eingebunden werden. Viele Ärzte werden froh sein, wenn sie in ihren Praxen mehr Zeit für andere ärztliche Dienstleistungen haben.« Fachlich spreche nichts gegen eine Ausweitung des Impfangebots in der Apotheke. »Die Erfolgsgeschichte Impfen in der Apotheke wird weitergehen.«
Auch Preis sieht die Zukunft der Apotheken ganz klar im Bereich der Dienstleistungen und hier vor allem in der Prävention, zu der das Impfen gehört. »Apotheken sind nicht nur für Arzneimittel, sondern für die Gesundheitsversorgung insgesamt zuständig. Wir sind hier sehr kompetent – das sollten wir auch selbstbewusst voran tragen, dann wird die Apotheke als Gesundheitszentrum eine tolle Zukunft haben.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.