Diskussion um Nutzen-Risiko-Verhältnis |
Daniela Hüttemann |
17.09.2024 09:00 Uhr |
Bei der primären bililären Cholangitis kommt es zu einer Entzündung der kleinen Gallengänge in der Leber. Das behindert den Abfluss von Galle aus der Leber, was dauerhaft zu einer Schädigung des Organs führt. / Foto: Imago Images/Depositphotos
Die primäre biliäre Cholangitis (PBC) ist eine seltene Autoimmunerkrankung, bei der die Gallengänge der Leber chronisch entzündet sind. Die Inzidenz- und Prävalenzangaben variieren nach Regionen. In Europa sind schätzungsweise 15 von 100.000 Personen betroffen, Frauen etwa vier- bis sechsmal häufiger als Männer. Diagnostiziert wird die Erkrankung typischerweise zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Sie geht mit einem deutlich erhöhten Risiko für hepatozelluläre Karzinome und Lebertransplantationen einher.
Erstlinientherapie ist Ursodesoxycholsäure. Seit 2017 steht als Zweitlinien- und Add-on-Therapie Obeticholsäure (Ocaliva®) als bislang einziger Farnesoid- X-Rezeptor-(FXR-)Agonist zur Verfügung. Das Präparat hatte 2016 nur eine bedingte Marktzulassung erhalten, da die EMA zwar Anzeichen für einen Nutzen sah, aber noch keinen endgültigen Nachweis des klinischen Nutzens.
Diesen Sommer bewertete die EMA das Nutzen-Risiko-Verhältnis neu und beurteilte es negativ. Die EU-Kommission folgte der Empfehlung und widerrief die Zulassung zum 30. August. Dagegen legte Hersteller Advanz Pharma erfolgreich Widerspruch ein: Das Gericht der Europäischen Union (EuGH) ordnete am 4. September ein sofortiges Aussetzen der Kommissionsentscheidung an, sodass die bedingte Zulassung bis zu einer weiteren Entscheidung des EuGH erst einmal bestehen bleibt.
Advanz Pharma hatte in einer Pressemitteilung am 3. September betont, dass der Ende August ausgesprochene Zulassungswiderruf der EMA nicht auf Sicherheitsbedenken beruhe. Die Behörde habe die Gesamtheit der verfügbaren Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit nicht angemessen berücksichtigt, vor allem nicht die Daten aus der Anwendungspraxis (Real World), und sich stattdessen hauptsächlich auf eine einzige klinische Studie mit zahlreichen Limitationen berufen. Die EMA wiederum teilte mit, dass sie die Real-World-Daten und die Daten begleitender Studien als nicht ausreichend ansehe, um die Ergebnisse der klinischen Studie auszugleichen.
Dass die Entscheidung der EU-Kommission nun vorübergehend ausgesetzt wurde, begrüßte Steffen Wagner, CEO von Advanz Pharma. »Dieser Schritt stellt die unverzügliche Kontinuität der Versorgung bis zur weiteren Entscheidung durch das Gericht der Europäischen Union sicher. Gleichzeitig arbeiten wir weiter daran, eine langfristige Kontinuität der Versorgung mit Ocaliva für alle Patient:innen sicherzustellen, die das Medikament benötigen.«