Diese Phytopharmaka haben Evidenz |
Brigitte M. Gensthaler |
06.06.2023 09:10 Uhr |
Professor Dr. Robert Fürst, Frankfurt am Main, beleuchtete den Stellenwert von Phytopharmaka in den Leitlinien zur Behandlung von Atemwegsinfekten, Rhinosinusitis, Halsschmerzen und Husten. / Foto: PZ/Alois Mueller
Banale Atemwegsinfekte sind zu 95 Prozent viral bedingt und verlaufen selbstlimitierend innerhalb von einer bis zwei Wochen. Daher müsse ein Medikament nachweisen, dass es die Heilung beschleunigen kann, erklärte Fürst. »Die Hersteller kämpfen immer gegen die Zeit.« In Studien gehe es meist um Scores wie Symptomdauer und -intensität. »Man braucht die richtigen Präparate in richtiger Dosierung über die richtige Zeit – so trivial das auch klingt.« Zwar stütze sich die Evidenzbewertung auf randomisierte kontrollierte Studien (RCT), doch sei zu beachten: »Die Nichtexistenz einer klinischen Studie zu bestimmten Präparaten bedeutet nicht, dass diese nicht wirken.«
Fürst analysierte anhand von Studien die Datenlage zu vier Indikationen: Atemwegsinfekten, Rhinosinusitis, Pharyngitis und Bronchitis.
Beispielsweise habe das Präparat Angocin® Anti-Infekt N gezeigt, dass es die Wahrscheinlichkeit von Atemwegsinfektionen allgemein gegenüber Placebo verringern kann. »Für die Prävention ist es aber nicht zugelassen.« Als evidenzbasiert stellte er Purpursonnenhutkraut-Presssaft vor, der zur kurzzeitigen Prävention und Therapie von Atemwegsinfekten eingesetzt werden kann. Es gebe eine Well-established-Use-Monographie des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der EMA für Presssaft oder Trockenextrakt. Studien, zum Beispiel mit Echinacin®, hätten gezeigt, dass es »den Patienten schneller besser geht und das ist entscheidend«. Dies gelte auch für den Trockenextrakt Esberitox®.
Bei einer akuten Rhinosinusitis kann laut S2k-Leitlinie (gültig bis 4/2022) eine Behandlung mit dem patentierten (Misch-)Extrakt BNO 1016 (Sinupret® extract) oder definierten Eukalyptus-Extrakten empfohlen werden. Bei rezidivierender oder chronischer Rhinosinusitis gebe es keine Empfehlung, so Fürst. Reines Cineol (Soledum®), zwar kein Phytopharmakon, könne die Symptome bei akuter nicht eitriger Rhinosinusitis um mehrere Tage schneller verbessern. Einen deutlichen Benefit habe Umckaloabo® (Pelargonium sidoides) bei Erwachsenen mit bakterieller Sinusitis gezeigt. »Es hat aber keine Zulassung hierfür.«
Wenig Evidenz gibt es laut Fürst bei der Indikation Halsschmerzen. In der aktuellen S3-Leitlinie zu Halsschmerzen (Stand 2020) werde ein Salbeifluidextrakt-Rachenspray positiv erwähnt, das in Deutschland nicht auf dem Markt ist. Umckaloabo® konnte Halsschmerzen bei Kindern in einer Studie deutlich schneller bessern als Placebo, ist dafür aber nicht zugelassen.
In der S2k-Leitlinie Husten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (gültig bis Ende 2023) werden mehrere Phytopharmaka positiv erwähnt. »Phytotherapeutika oder Ambroxol mit in RCT nachgewiesener Wirksamkeit sollten bei klinischem Bedarf für den akuten Erkältungshusten zur Linderung der Intensität und Verkürzung der Dauer des Hustens verordnet werden«, zitierte Fürst aus der Leitlinie. Zu den Phytotherapeutika mit nachgewiesener Wirksamkeit zählen die Leitlinienautoren Präparate aus Efeu, Cineol, Myrtol, Pelargonium sidoides, Kombinationspräparate mit Efeu und Thymian sowie mit Primeln und Thymian und konstatieren: »Die Datenlage für diese Phytotherapeutika für die Indikation akute Bronchitis ist häufig besser als für synthetische Expektorantien.«
Für verschiedene Zubereitungen aus Efeublättern (Beispiel Prospan®) sowie aus Thymian-Primelwurzel (Beispiel: in Bronchipret® TP) gibt es HMPC-Monografien zum Well-established-Use bei produktivem Husten.
Fürst stellte klar: »Es gibt keine klinischen Studien zur Phytotherapie bei Covid-19.« Denkbar seien zwei Ansätze zur Prophylaxe. Zum einen der antimikrobielle Ansatz über Gerbstoffe und ätherische Öle, denn diese wirkten unspezifisch gegen Pathogene. Evidenz aus Studien (RCT) gebe es aber nur zur präventiven Wirkung von Grüntee-Extrakt (regelmäßiges Gurgeln) gegen Influenzaviren. »Inhalieren, Gurgeln und Sprühen könnten zur Prophylaxe beitragen«, so der Apotheker. Für das zweite mögliche Prinzip, die Stärkung des Immunsystems, biete die Phytopharmazie evidenzbasierte Möglichkeiten. Grundsätzlich gelte: »Die Vermeidung einer Infektion ist besser als diese zu haben.« Daher sei Prävention »nie falsch«.