Diese neuen Arzneistoffe könnte es geben |
Sven Siebenand |
06.01.2022 11:30 Uhr |
2022 wird es aller Voraussicht nach weitere Fortschritte in der Onkologie geben. Beispielsweise ist ein neues Brustkrebsmedikament zu erwarten: Enhertu®. Darin ist das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab Deruxtecan enthalten. Es soll als Monotherapie beim nicht resezierbaren oder metastasierten HER2-positiven Brustkrebs verordnet werden, wenn die Frau zuvor mindestens zwei andere gegen HER2-gerichtete Therapien erhalten hat.
Mit Trastuzumab Emtansin (Kadcyla®) gibt es bereits ein sehr ähnliches Antikörper-Wirkstoff-Konjugat. In beiden Fällen sorgt die Antikörper-Komponente Trastuzumab dafür, dass die HER2-vermittelte Signalkaskade blockiert und die Antikörper-abhängige zelluläre Toxizität induziert wird. Das Zellgift Deruxtecan, ein Topoisomerase-1-Hemmer, wird erst in der Krebszelle freigesetzt und aktiv. Es führt zu DNA-Schäden und Apoptose.
Die Palette an Onkologika für Brustkrebspatientinnen ist bereits groß. Ein neues Antikörper-Wirkstoff-Konjugat könnten 2022 als Drittlinienmedikament hinzukommen. / Foto: Adobe Stock/fizkes
Ebenfalls neu wäre der Kinasehemmer Duvelisib (Copiktra®), zugelassen für die Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie (CLL) und von follikulären Lymphomen. Duvelisib inhibiert die Delta- und Gamma-Isoform des Enzyms Phosphoinositid-3-Kinase. Dadurch werden Signalwege von Krebszellen gestört, die für die Proliferation und das Überleben der Zellen wichtig sind.
Ferner ist bereits ein neues Wirkprinzip zur Behandlung des Multiplen Myeloms von der EU-Kommission zugelassen. In Nexpovio®-Filmtabletten ist der Arzneistoff Selinexor enthalten. Dieser blockiert das Protein Exportin 1 (XPO1), das beim Transport von Molekülen aus dem Zellkern eine wichtige Rolle spielt. Mithilfe von XPO1 verteidigen sich Tumorzellen gegen Tumorsuppressor-Proteine, die in den Zellkern der Krebszelle eingedrungen sind und dort den Zelltod fördern sollen. XP01 bindet an die Proteine, entsorgt sie aus dem Zellkern der Krebszelle und sichert damit deren Überleben. Selinexor unterbindet durch die XPO1-Blockade diesen Export und stellt so die Fähigkeit zur Selbstkontrolle wieder her.
Der neue Wirkstoff ist kein Medikament für die Erstlinientherapie des Multiplen Myeloms. Zugelassen sind die Tabletten in Kombination mit Dexamethason für die Behandlung von Erwachsenen, die zuvor mindestens vier Therapien erhalten haben.
Mit Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) und Regdanvimab (Regkirona®) hat die EU-Kommission im November 2021 auch zwei Antikörperpräparate mit neuen Wirkstoffen bei Covid-19 zugelassen. 2022 werden vermutlich weitere Zulassungen folgen (Kasten).
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In der Indikation Covid-19 sind in der EU bereits mehrere Wirkstoffe zugelassen: Remdesivir (Veklury®), Dexamethason, der Interleukin-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab (Roactemra®), der Interleukin-1-Rezeptorantagonisten Anakinra (Kineret®) sowie die gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 gerichteten Antikörper Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®), Regdanvimab (Regkirona®) und Sotrovimab (Xevudy®). Ein Zulassungsantrag bei der EMA ist gestellt für den Januskinasehemmer Baricitinib (Olumiant®) und für Molnupiravir (Lagevrio®). Letzteres ist wie Remdesivir antiviral wirksam, aber oral bioverfügbar.
Ebenfalls oral bioverfügbar ist Paxlovid™. Es befindet sich derzeit im Rolling-Review-Verfahren der EMA. In Paxlovid sind die Wirkstoffe Nirmatrelvir (PF-07321332) und Ritonavir enthalten. Nirmatrelvir hemmt die Vermehrung von SARS-CoV-2, indem es eine wichtige virale Protease mit dem Kürzel 3CL blockiert. Das Coronavirus benötigt dieses Enzym für die Replikation. Ein zusätzlich eingenommene geringe Dosis Ritonavir soll helfen, den Abbau von Nirmatrelvir zu verlangsamen.
Last but not least befindet sich mit Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®) eine weitere Kombination von monoklonalen Antikörpern gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 im Rolling-Review-Verfahren.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.