Die unterschätzte Emotion |
Jennifer Evans |
24.11.2020 07:00 Uhr |
Das Problem: Der moderne Mensch kennt Langeweile kaum noch, erstickt sie praktisch direkt im Keim, indem er aufkommende Leere mit Chatten, Twittern und E-Mails schreiben füllt. Nur wenige können sie ertragen. Das Nichtstun ist für viele der größte Stress, wie eine Studie um den Psychologen Timothy Wilson von der US-amerikanischen University of Virginia aus dem Jahr 2014 eindrucksvoll deutlich machte (DOI: 10.1126/science.1250830).
Die Studienteilnehmer versetzten sich Stromschläge, wenn sie eine Zeit lang in einem leeren Raum ausharren mussten. Rund ein Viertel der weiblichen und zwei Drittel der männlichen Probanden drückten innerhalb der ersten 15 Minuten mindestens einmal den Knopf, um den Elektroschock auszulösen. Genau wissen die Forscher nicht, warum es Menschen offenbar so schwerfällt, mit sich und ihren Gedanken allein zu sein. Zumal das Sinnieren über Vergangenheit und Zukunft eine urmenschliche Eigenschaft sei, die uns gerade von anderen Arten unterscheide, heben die Autoren hervor.
Zumindest in der Wissenschaft hat die Langeweile in den vergangenen Jahren einen immer größeren Stellenwert bekommen. In diesem Jahr hat bereits die vierte »International Interdisciplinary Boredom Conference« stattgefunden. Ziel ist es hier, Experten aus möglichst vielen akademischen Disziplinen zusammenzubringen, um sich über die Geschichte, Gründe und Konsequenzen der Fadheit auszutauschen. Vielleicht ist es an der Zeit, der Langweile eine Chance zu geben.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.