Die Renaissance der Hormonersatztherapie |
Theo Dingermann |
09.07.2025 10:30 Uhr |
Ob eine Hormonersatztherapie während und nach den Wechseljahren indiziert ist, sollten Frauen individuell mit ihrem Arzt besprechen. / © Getty Images/Vladimir Vladimirov
Vor exakt 23 Jahren, am 9. Juli 2002, erschien auf der Titelseite der »New York Times« ein Artikel mit dem Titel: »Studie wegen erhöhtem Krebsrisiko eingestellt: Hormonersatztherapie in Frage gestellt«. Die Studie, von der hier die Rede war, war die groß angelegte randomisierte klinische Studie der Women’s Health Initiative (WHI) zu Estrogen plus Gestagen im Vergleich zu Placebo. Diese Studie wurde vorzeitig abgebrochen – zu Unrecht wie man heute weiß, aber mit großen Konsequenzen. Denn der vorzeitige Abbruch führte dazu, dass die bis dahin übliche Hormonersatztherapie (HRT) postmenopausalen Frauen weitreichend vorenthalten wurde.
Diesen Jahrestag nahm der bekannte US-amerikanische Kardiologe, Professor Dr. Eric Topol, zum Anlass, in einem Beitrag auf dem News-Portal »Substack« einen Artikel mit dem Titel »New Anti-Aging Evidence For Estrogen« zu veröffentlichen.
Die Daten der WHI-Studie wurden kurz nach Erscheinen des Beitrags in der New York Times am 17. Juli 2002 im Wissenschaftsmagazin »JAMA« publiziert. Die Studienautoren schlossen damals: »Die allgemeinen Gesundheitsrisiken überstiegen die Vorteile der kombinierten Einnahme von Estrogen und Gestagen während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 5,2 Jahren bei gesunden postmenopausalen Frauen in den USA. Die Gesamtmortalität wurde während der Studie nicht beeinflusst. Das in dieser Studie festgestellte Nutzen-Risiko-Profil entspricht nicht den Anforderungen an eine wirksame Intervention zur Primärprävention chronischer Erkrankungen, und die Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Therapie zur Primärprävention von KHK nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden sollte.«
Heute weiß man, dass das Studiendesign schlecht gewählt war. Zwar waren in der Studienpopulation verschiedene Risiken statistisch signifikant erhöht, die absoluten Risikoerhöhungen waren jedoch gering. Besonders die relative Risikoerhöhung für ein invasives Mammakarzinom erwies sich als relevant für das ärztliche Handeln nach Publikation der WHI-Studie. Diese wurde zwar zu 26 Prozent als signifikant errechnet. Allerdings betrug das absolute Risiko lediglich 8 Fälle pro 10.000 Frauenjahre.
All diese Risikoabschätzungen traten hauptsächlich in einer Population mit einem Durchschnittsalter von 63 Jahren auf, also über ein Jahrzehnt nach Eintreten der Menopause, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse massiv einschränkt. Nachfolgende Analysen der WHI-Studie zur Kombination von Estrogen und Gestagen zeigten, dass der Beginn einer Hormonersatztherapie vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb von zehn Jahren nach der Menopause zu einer Senkung des Risikos für Herzerkrankungen und der Gesamtsterblichkeit führt.