Die kleine Schwester der Medikationsanalyse |
Daniela Hüttemann |
07.02.2022 18:00 Uhr |
MUR sind beispielsweise in Großbritannien bereits etabliert. Hier wird ein MUR mit 27 britischen Pfund vergütet. Weitere Beispiele sind der Polymedikations-Check in der Schweiz, der auch von den Krankenkassen vergütet wird, sowie der »MedsCheck« in Kanada.
Eine kostendeckende Vergütung sei der Schlüssel, denn es erfordert viel Zeit und Personal. Daher kann die Kostenübernahme zum Treiber werden oder, wenn sie ausbleibt, die Etablierung dieser Leistung auch ausbremsen, meint Dr. Kurt E. Hersberger, emeritierter Professor für Pharmazeutische Betreuung in Basel. »Wir müssen daher angesichts eines begrenzten Budgets auch priorisieren, wem wir diese Leistung anbieten wollen.«
Er nannte als mögliche Adressaten Patienten mit Polymedikation (≥ fünf Medikamente in der Dauermedikation), eine risikobehaftete Medikation, Änderungen im Therapieregime, Schwere und Fortschreiten der Erkrankung sowie schwere unerwünschte Wirkungen, wenn Tabletten geteilt werden müssen oder wenn der Apotheker Bedenken zu Adhärenz oder einem möglichen Fehlgebrauch hat. Auch sollte der Patient selbst bereits ein Problembewusstsein haben, also einen Bedarf in diesem Service der Apotheke sehen. In der Schweiz habe sich das MUR als pharmazeutische Leistung bereits gut etabliert und stoße auf eine hohe Akzeptanz.
»Damit es effizient ist, sollte man einem strukturierten Prozess folgen – das ist wie beim Reifenwechsel bei der Formel 1«, erklärte Hersberger. Medikationsanalysen und MUR erforderten etwas Übung, um sie auf die Straße zu bringen. Und genau wie bei der Formel 1 sei es Teamwork: Vor allem der Inhaber muss motiviert sein, diese Leistungen anzubieten, das Team gut trainiert, inklusive der PTA, die zum Beispiel geeignete Patienten erkennen und ansprechen können. Mit seiner langjährigen Erfahrung erinnerte der Experte: »Das erste Patientengespräch ist das schwierigste. Es braucht Training, Training und Training.« Zudem helfe es, einen erfahrenen Mentor an der Seite zu haben und sich zunächst auf bestimmte Indikationen zu fokussieren.
Bei Medikationsanalysen müsse zudem die Kommunikation mit dem Arzt stimmen. Auch hier müsse man sich als Team sehen – und sich als Apotheker trauen, Verantwortung zu übernehmen, umgekehrt aber auch die eigenen Grenzen anzuerkennen. Es gebe viele Aspekte der Therapie, bei dem der Apotheker dem Patienten helfen kann, ohne in die Therapiehoheit des Arztes einzugreifen, zum Beispiel bei der Handhabung erklärungsbedürftiger Arzneiformen, Schluckbeschwerden oder Erinnerungshilfen für die regelmäßige Einnahme. »Die Adhärenz zu verbessern, das ist unsere Pflicht als Apotheker.«
Hersberger forderte auch ein Umdenken: Erfahrungsgemäß würden Apotheker eher auf die Probleme schauen. »Der Patient will aber gute Outcomes, einen Gewinn an Lebensqualität und sich sicher fühlen.« Man solle also lösungsorientiert vorgehen und sich dabei an den Patientenbedürfnissen orientieren. Und er erinnerte: »Es muss nachhaltig sein. Mit einem MUR oder einer Medikationsanalyse ist es nicht getan.« Nach einer gewissen Zeit sollte man beim Patienten nachhaken, wie es ihm mit seiner Medikation geht. Der Apotheker, der selbst auch lang in der Offizin tätig war, ermutigte: »Jeder kann mit MUR und Medikationsanalyse starten und so einen wichtigen Beitrag im Gesundheitswesen leisten.«