Die innovativsten Arzneistoffe heute und morgen |
PZ-Chefredakteur Sven Siebenand stellte eine Auswahl »besonders innovativer« Arzneistoffe vor, die es in den vergangenen fünf Jahren bereits in Deutschland auf den Markt geschafft haben. Dazu zählen zum Beispiel die CGRP-Antikörper als neue Klasse von Migräneprophylaktika. »Hier können Ärzte mittlerweile aus einem Quartett auswählen«, sagte der Apotheker.
Erenumab, Galcanezumab, Fremanezumab und Eptinezumab hemmen die Funktion vom Calcitonin Gene-related Peptide, kurz CGRP, das maßgeblich an der Pathophysiologie der Migräne beteiligt ist. Bei einer Migräneattacke steigt der CGRP-Spiegel signifikant. Während Erenumab den CGRP-Rezeptor blockiert, fangen die anderen drei Vertreter CGRP in der Peripherie ab und verhindern so dessen Rezeptorbindung. Bis auf Eptinezumab, das intravenös verabreicht wird, werden alle Antikörper subkutan injiziert. Es gebe eine recht hohe Rate von »Non-Respondern«, weshalb der Arzt den Therapieerfolg nach einigen Monaten evaluieren sollte, erklärte Siebenand weiter.
Eine weitere Antikörperinnovation kommt bei Osteoporose zum Einsatz. Romosozumab hat ein duales Wirkprinzip: Es bremst den Knochenabbau und fördert den Knochenaufbau. Innovativ ist hier die neue Zielstruktur Sklerostin. »Dieses stimuliert die Osteoklasten und hemmt die Osteoblasten. Das dreht sich um, wenn man mit Romosozumab das Sklerostin abfängt: Die Osteoklasten sind dann inhibiert und die Osteoblasten in ihrer Aktivität erhöht«, erklärte Siebenand.
Der Sklerostin-Hemmer ist aktuell zugelassen bei postmenopausalen Frauen mit manifester Osteoporose und deutlich erhöhtem Frakturrisiko. Die Therapie erfolgt in Zyklen: Der Antikörper wird einmal im Monat über ein Jahr subkutan verabreicht. Danach wird auf eine Osteoklasten-hemmende Therapie, in der Regel ein Bisphosphonat, umgestellt.
Zur Lipidsenkung haben die vergangenen fünf Jahre gleich zwei innovative neue Arzneistoffe hervorgebracht. Das ist zum einen die Bempedoinsäure, eine »geschickte Alternative zu Statinen«. Ebenso wie die Statine greift auch Bempedoinsäure in die Cholesterol-Biosynthese ein, allerdings an früherer Stelle: Sie hemmt die ATP-Citrat-Lyase (ACT). »Doch das macht die Bempedoinsäure nur in ihrer aktiven Wirkform. Sie ist ein Prodrug und muss mit einer Synthetase erst einmal gebildet werden«, erklärte Siebenand.
»Der Clou an der Sache: Diese Synthetase ist in Skelettmuskelzellen nicht vorhanden, sodass muskelassoziierte Nebenwirkungen, die Statine leider machen können, bei der Bempedoinsäure nicht zu beobachten sind.« Der Arzneistoff ist als Monopräparat oder kombiniert mit Ezetimib auf dem Markt.
Beim zweiten innovativen Lipidsenker, den Siebenand vorstellte, handelt es sich um Inclisiran, ein RNAi-Therapeutikum. Es sorgt dafür, dass die Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9, kurz PCSK9, nicht mehr produziert wird. Das Enzym ist in der Leber am Abbau von LDL-Cholesterol-Rezeptoren beteiligt. »Die Proteinbiosynthese wird auf Ebene der mRNA ganz einfach gestoppt«, führte Siebenand aus.