Die Analyse für mehr Adhärenz und Therapieverständnis |
| Daniela Hüttemann |
| 24.02.2022 18:00 Uhr |
Vielen Patienten ist nicht klar, warum sie ihre Arzneimittel einnehmen müssen. Ebenso häufig stimmen Dosis oder Einnahmezeitpunkt nicht. / Foto: Getty Images/Tom Werner
»Ein Arzneimittel-Anwendungscheck ist ein strukturiertes Apotheker-Patienten-Gespräch für definierte Patientengruppen wie Asthmatiker oder Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen. Ziel ist, das Therapieverständnis und die Adhärenz zu fördern, Anwendungsprobleme zu erkennen und zu lösen und eventuelle Nebenwirkungen aufzudecken«, erklärt Eva Goebel von der Apothekerkammer Berlin, die dort für ATHINA und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zuständig ist, im Gespräch mit der PZ. Das Konzept stammt ursprünglich aus England und wird dort als »Medicines Use Review« (MUR) bereits seit Längerem von den Apotheken als Standardleistung angeboten.
Goebel hat während ihrer Arbeitsphase als Apothekerin in England selbst MUR durchgeführt. Ähnlich wie bei einer Medikationsanalyse wird mit einem Patienten, der offenbar Probleme mit seiner Medikation hat, ein Termin vereinbart. Zu diesem bringt der Patient seine gesamten verordneten und selbstgekauften Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel mit und falls vorhanden auch seinen Medikationsplan. Der Apotheker geht dann jede einzelne Packung mit ihm durch. Dabei erfragt er, ob der Patient weiß, wofür, wann, wie oft und auf welche Weise das Medikament angewendet wird und ob es Probleme wie Nebenwirkungen gibt. Anschließend (noch am selben Termin) erläutert die Apothekerin, wie die Medikamente am besten eingenommen werden und wieso das wichtig ist.
»Der Arzneimittel-Anwendungscheck ist keine vollständige Medikationsanalyse unter Berücksichtigung aller Erkrankungen und Laborparameter und er zielt auch nicht auf eine grundsätzliche Änderung oder Optimierung der Pharmakotherapie ab«, betont Goebel. Fallen größere Probleme auf, könne aber eine solche ausführliche Analyse als Folgeleistung sinnvoll sein, ebenso wie die Rücksprache mit dem verordnenden Arzt.
Der Charme des Arzneimittel-Anwendungschecks besteht darin, dass er in erster Linie auf eine Verbesserung der Adhärenz abzielt und daher auch unabhängig vom Arzt durchgeführt werden kann. »Viele Probleme sind in der Apotheke lösbar«, meint Goebel. »Aber am effektivsten ist in der Regel die interprofessionelle Betreuung.« So sollte der Arzt informiert werden, welche Interventionen der Apotheker angeraten hat, entweder direkt von Apotheker zu Arzt oder über eine schriftliche Information für den Patienten, je nach Dringlichkeit und Schwere der gefundenen Probleme.
In der Machbarkeitsstudie mit 26 Apotheken in Berlin und Nordrhein zwischen Mai und August 2021 wurden 44 Arzneimittel-Anwendungschecks durchgeführt. Im Schnitt brauchten die Teilnehmenden 30 bis 60 Minuten. »Mit etwas Übung geht es auch schneller«, berichtet Goebel aus eigener Erfahrung.
»Fast alle teilnehmenden Apotheken und auch Patienten bewerteten diese pharmazeutische Dienstleistung als gut oder sehr gut«, ergänzt PharmD Carina John, die bei der Apothekerkammer Nordrhein für den Bereich AMTS verantwortlich ist und das Projekt dort betreut hat. Die teilnehmenden Apothekerinnen und Apotheker hatten zuvor ein 2,5-stündiges Webinar absolviert, in dem die Grundlagen des Arzneimittel-Anwendungschecks sowie konkrete Beispiele durchgenommen wurden.
Ihr Honorar legten die Apotheken selbst fest. »Der Großteil der Projektteilnehmer hält 30 bis 50 Euro für angemessen«, so John. »Das ist diese Dienstleistung auch vielen Patienten wert.« Allerdings gaben auch einige Apotheken an, dass manche Patienten nicht bereit gewesen waren, die Dienstleistung zu bezahlen.
Die beiden Apothekerinnen hoffen daher, dass der Arzneimittel-Anwendungscheck zur Erhöhung der AMTS unter die in Zukunft von den Krankenkassen honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen fallen wird. »Der Check wäre in der Breite mit relativ wenig Aufwand und sehr guten Resultaten machbar«, glaubt Goebel. Zusätzlich sollte definiert werden, wann welcher Patient zusätzlich eine vollständige Medikationsanalyse benötigt, zum Beispiel, wenn der Apotheker Kontraindikationen, Wechselwirkungen oder eine potenziell inadäquate Medikation (PIM) feststellt.
»Angesichts von Personal- und Zeitmangel können diese Leistungen nur flächendeckend angeboten werden, wenn die Krankenkassen den Aufwand angemessen honorieren«, so Goebel. John ergänzt: »Dass strukturierte Patientenbetreuung durch Apothekerinnen und Apotheker einen großen Nutzen bringt, hat dieses Pilotprojekt einmal mehr gezeigt.«