Deutschland schneidet bei Pandemie-Bekämpfung nicht gut ab |
Inwieweit Impfungen bei der Pandemiebekämpfung helfen werden, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Klar ist, Deutschland schneidet im Vergleich zu vielen Ländern nicht gut beim Kampf gegen das Coronavirus ab. / Foto: Getty Images/hocus-focus
Die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie findet seit mehr als einem Jahr in allen Ländern der Welt statt. Dabei gibt es global mehr als 100 Millionen bestätigte Fälle und mehr als 2 Millionen Menschen sind im Zusammenhang mit Covid-19 bislang gestorben. Auf der anderen Seite sind inzwischen auch viele Länder fast coronafrei, so beispielsweise Inselstaaten wie Neuseeland oder auch Taiwan. Asiatische Länder wie etwa China oder Vietnam haben zudem von Beginn an rigorose Lockdown- und Quarantänemaßnahmen sowie Ausgangssperren erteilt, um gegen das Virus anzukämpfen. Deutschland setzte hingegen eher zögerlich auf die Einschränkung der Grundrechte und versuchte die Pandemie insbesondere mit der Ausweitung der Teststrategie, Ausgabe von FFP2-Masken und Teil-Lockdowns zu bewältigen.
Die Gesundheitsversorgung sowie die Versorgung durch Apotheken haben aber in den vergangenen Monaten gezeigt: Der befürchtete Kollaps der Krankenhäuser und der medizinischen Versorgung ist nicht eingetreten. Dennoch warnen viele Intensivmediziner seit Wochen, die Stationen seien überlastet. Doch wie steht Deutschland gut ein Jahr nach der Pandemie nicht nur im Vergleich zu unseren Nachbarländern da, sondern auch zu knapp 100 Ländern weltweit?
Laut einem Think Tank, das »Lowy Institute«, mit Sitz im australischen Sydney, kommt Deutschland im internationalen Vergleich nicht gut weg. Bei dem »Covid Performance Index« landet Deutschland lediglich auf Platz 55 von insgesamt 98 Plätzen. Mithilfe verschiedener Messwerte erstellten die Forscher des Instituts einen Index, der von 0 bis 100 reicht. 100 bedeutet, dass die Coronavirus-Pandemie ausgezeichnet gemanagt wird, 0 heißt, dass dies überhaupt nicht der Fall ist. Insgesamt 98 Länder wurden miteinander verglichen, Deutschland erzielte jedoch nur einen Index von 45,8. Auf Platz 54, direkt vor Deutschland, liegt Kroatien, auf Platz 56 El Salvador. Das beste Ergebnis laut dem »Covid Performance Index« erzielte Neuseeland mit 94,4 Punkten, dicht gefolgt von Vietnam (90,8) und Taiwan (86,4). Auf Platz vier und fünf: Thailand (84,2) und Zypern (83,3). Auf den hinteren Plätzen liegen die USA (17,3), Iran (15,9), Kolumbien (7,7), Mexiko (6,5) und Brasilien (4,3).
Um die Effektivität der Länder zu vergleichen, wurden folgende Aspekte berücksichtigt: Bestätigte Coronafälle, bestätigte Todesfälle im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, bestätigte Fälle pro 1 Millionen Einwohner, bestätigte Todesfälle pro 1 Millionen Einwohner, bestätigte Fälle im Vergleich zu durchgeführten Tests und durchgeführte Tests pro 1000 Einwohner. Die Daten von insgesamt 98 Länder seit dem jeweils 100. Covid-19-Fall bis zum 9. Januar 2021 wurden dabei berücksichtigt. Die Daten stammen von »Our World in Data«. Diese Datenbank wird von Forschern der britischen Universität Oxford und der Nonprofit-Organisation »Global Change Data Lab« gepflegt.
Zusätzlich liefert das Institut auf seiner Website einen Vergleich zwischen verschiedenen sozioökonomischen Parametern. So zeigt eine Grafik, dass die europäischen Länder vor einigen Wochen noch zu den besten Pandemie-Bewältigern (durchschnittlich bis zu 70 Punkte) gehörten, dass sie jetzt aber sogar zu den schlechtesten (30 Punkte) zählen. Zum Vergleich: Die asiatischen und pazifischen Staaten spielten seit Beginn der Pandemie eher in der oberen Etage mit und lagen im Durchschnitt immer bei einem Index von 50-65 Punkten. Die nord- und südamerikanischen Länder und Staaten aus dem Mittleren Osten und aus Afrika zeigten in den vergangenen Wochen einen leichten Anstieg was das Ergebnis ihrer Pandemie-Bekämpfung angeht.
Oft wird zudem argumentiert, dass man die Pandemie-Strategie in Deutschland nicht mit den von autokratischen Staaten vergleichen könne. Die Forschungsergebnisse des australischen Instituts zeigen aber, dass die demokratischen Länder am Anfang Schwierigkeiten hatten und die mit autoritären Regimes mit rund 75 Punkten eher einen guten Start hinlegten. Anfang Januar pendelte sich der Durchschnittswert der verschiedenen Regimes jedoch bei ähnlichen 50 Punkten ein. Die Zuordnung wurde anhand des Demokratie-Index »The Economist Intelligence Unit Democracy Index 2019« erstellt.
In Bezug auf die ökonomische Stärke eines Landes ist bemerkenswert, dass stark entwickelte Länder einen viel höheren Durchschnittswert erzielen und in den vergangenen Wochen besser durch die Pandemie kamen, allerdings senkte sich das Niveau der wirtschaftsstarken Länder auf das gleiche Niveau wie wirtschaftsschwächere Länder (bei rund 50 Punkten). Die Unterteilung erfolgte anhand der Datenbank »International Monetary Fund’s World Economic Outlook« des Internationalen Währungsfonds (IMF).
Einen deutlicheren Effekt zeigt die Betrachtung der Bevölkerungsgröße. Kleinere Staaten (weniger als 10 Millionen Einwohner) zeigten durchweg in den vergangenen Wochen einen höheren Indexwert als mittlere (10 bis 100 Millionen Einwohner) oder bevölkerungsreiche (mehr als 100 Millionen) Länder. Gerade die einwohnerstarken Länder erzielen einen Durchschnittswert von nur 31,7 (mittlere: 47,2 und kleine: 56,5).
Der Think Tank »Lowy Institute« nennt sich selbst unabhängig und erforscht politische Fragestellungen in Bereichen der internationalen Politik, aber auch strategische oder wirtschaftliche Gebiete, immer aus einer australischen Perspektive. Das »Lowy Institute« wird der neoliberalen oder mitte-Rechts-Strömung zugeordnet. Der Think Tank wurde 2003 von Frank Lowy gegründet, ein australisch-israelischer Unternehmer, der 2017 laut Financial Review Rich List zum viertreichsten Menschen in Down Under gekürt wurde. Mehr Informationen zum »Covid Performance Index« finden Sie hier.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.