Deutlich länger leben mit zystischer Fibrose |
Daniela Hüttemann |
27.11.2023 18:00 Uhr |
Dank moderner Therapiemöglichkeiten hat ein junges Kind mit Mukoviszidose heute eine Lebenserwartung von 60 Jahren. Mehrfach tägliches Inhalieren gehört für die Betroffenen von Anfang an zum Alltag. / Foto: Getty Images/Dalibor Despotovic
Die durchschnittliche Lebenserwartung für Menschen mit zystischer Fibrose (CF, Mukoviszidose) hat im vergangenen Jahr von 57 auf 60 Jahre im Vorjahresvergleich einen Sprung nach oben gemacht, meldet das Deutsche Mukoviszidose-Register. »Wir sehen damit zunehmend deutliche Effekte der im August 2020 in Europa zugelassenen Dreifachtherapie (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) in verschiedenen Bereichen«, erläutert Professor Dr. Lutz Nährlich, medizinischer Leiter des Registers, in einer aktuellen Pressemitteilung des Vereins Mukoviszidose.
»Auch bei der Entwicklung der Lungenfunktion zeigt sich ein sehr positiver Trend: Bis zur Volljährigkeit hat die Hälfte der Betroffenen eine normale oder sogar bessere Lungenfunktion«, so Nährlich. Zudem habe sich die Exazerbations-Häufigkeit in den vergangenen sieben Jahren halbiert. Während 2015 noch etwa sieben bis acht von zehn erwachsenen CF-Patienten antibiotisch behandelt werden mussten, waren es 2022 unter 30 Prozent. Auch die Anzahl der CF-relevanten Krankenhausaufenthalte sei deutlich zurückgegangen.
Wichtig für den Therapieerfolg ist neben den neuen Medikamenten eine multidisziplinäre Betreuung der Patienten in CF-Ambulanzen. Davon gibt es rund 100 in Deutschland. Zudem dürfe man nicht die Patientengruppen vergessen, die von den neuen Modulatoren nicht profitieren – entweder weil sie nicht darauf ansprechen oder aufgrund der Mutation nicht profitieren oder weil sie wegen schwerer Nebenwirkungen die Therapie abbrechen müssen.
Eine Behandlung mit den verschiedenen CFTR-Modulatoren kommt derzeit laut dem Verein für fast 6000 von gut 8000 Patienten in Deutschland infrage. Die 2020 zugelassene Dreifachkombination Kaftrio®, die gerade erst von der EU-Kommission eine Zulassungserweiterung für Patienten ab zwei Jahren erhalten hat, nehme eine wachsende Zahl der Kinder und Jugendlichen ein (60,5 Prozent der 6- bis 11-Jährigen und 73,6 Prozent der 12 bis 17-Jährigen. Und auch rund drei Viertel der erwachsenen Betroffenen (76,5 Prozent) werden mittlerweile damit behandelt.
Die Therapie der zystischen Fibrose als häufigster der seltenen Erkrankungen hat sich seit 2012 grundlegend geändert. Bis dahin konnte man nur rein symptomatisch mit Mukolytika, Bronchodilatatoren, NSAR, Corticoiden, Antibiotika und Physiotherapie behandeln. Dann wurde mit Ivacaftor (Kalydeco®) der erste CFTR-Modulator zugelassen. Es folgten drei weitere Substanzen dieser Wirkstoffklasse (Lumacaftor, Tezacaftor und Elexacaftor), die in Zweier- oder Dreier-Kombinationen eingesetzt werden.
»Wir können damit noch nicht heilen, aber setzen am Grundproblem an«, erklärte Professor Dr. Carsten Schwarz, ärztlicher Leiter des CF-Zentrums Potsdam am Klinikum West-Brandenburg, kürzlich bei der Scheele-Tagung in Binz. Es ist eines der größten CF-Zentren in Deutschland.
Professor Dr. Carsten Schwarz, ärztlicher Leiter des CF-Zentrums Potsdam am Klinikum West-Brandenburg, hielt bei der Jahrestagung der Scheele-Gesellschaft einen Vortrag zur modernen Mukoviszidose-Therapie. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Man unterteilt bei der zystischen Fibrose sechs Mutationsklassen des CFTR-Gens, das für einen Chloridkanal zur Regulierung des Salz-Wasser-Haushalts in den Epithelzellen mit dem Namen »Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator« kodiert. Je nach Ausprägung des Gendefekts fehlt der Kanal ganz oder lässt sich nicht oder nur schlecht öffnen. CFTR-Korrektoren helfen, das exprimierte CFTR-Protein richtig zu falten und vom Zellinneren an die Zelloberfläche zu bringen. CFTR-Potentiatoren kommen nur infrage, wenn der Kanal bereits an der richtigen Stelle sitzt, sich aber nicht richtig öffnet.
Laut Schwarz sind rund 3000 Mutationen im CFTR-Gen bekannt, von denen etwa 300 eine zystische Fibrose auslösen – danach richtet sich nicht nur die Ausprägung der Erkrankung, sondern auch der Therapie. In der EU habe die Europäische Arzneimittelagentur entschieden, dass die entsprechenden Präparate nur bei den Mutationen eingesetzt werden dürfen, die auch in den klinischen Studien untersucht wurden. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA sei da offener und erlaube auch einen Einsatz, wenn präklinische Daten auf einen möglichen Nutzen bei Patienten mit anderen Mutationen hinweisen.
Neuestes Mittel ist die bereits oben erwähnte Dreierkombination Kaftrio mit dem Potentiator Ivacaftor und den Korrektoren Tezacaftor und Elexacaftor. »Wir haben hier ein gutes Ansprechen mit einer sehr guten Verträglichkeit. Die Lungenfunktion bessert sich, Exazerbationen gehen zurück, Infektionen treten kaum noch auf«, berichtete Schwarz. Drei Tage nach Behandlungsstart sei das Sekret in den Atemwegen, das Hauptproblem der Patienten, verschwunden.
Schwarz vermutet, dass deutlich mehr Patienten von den Medikamenten profitieren könnten, als die Zulassungen umfassen. Er entnimmt mittlerweile Patienten mit anderen Mutationen Zellen, die er ex vivo mit den Medikamenten behandelt. Reagieren diese, bekomme er in der Regel auch eine Kostenübernahme der teuren Medikamente durch die Krankenkasse. Die Behandlung mit CFTR-Modulatoren koste derzeit pro Patient rund 25.000 Euro pro Monat. Aufgrund der Kosten und der Schwere der Erkrankung ist eine hohe Adhärenz des Patienten besonders wichtig.
Schwarz hatte ein paar Einnahmehinweise, die auch Apotheken aufgreifen sollten: Die CFTR-Modulatoren müssen mit fettreicher Nahrung eingenommen werden, da sonst nur etwa die Hälfte resorbiert wird. Zudem seien CYP-Interaktionen zu beachten.
Der CF-Experte verdeutlichte noch einmal den Nutzen der Wirkstoffe: »Die Patienten kommen in den gesunden Bereich. Wir müssen dadurch bei uns mittlerweile nur noch ein bis zwei Lungentransplantationen pro Jahr durchführen statt wie früher 50. Wenn man diese Medikamente nicht gibt, kostet das den Patienten im Schnitt 20 Lebensjahre – das ist unethisch und ein Kunstfehler.« Weitere Vertreter der Wirkstoffklasse sind in der Entwicklung. Die Zukunft der Mukoviszidose-Therapie sieht Schwarz allerdings in genbasierten Therapien, zum Beispiel mit inhalierbarer mRNA.