Der Weg zurück ins Leben |
Nach schweren Verbrennungen ist nichts mehr wie zuvor. Damit möglichst wenig seelische und körperliche Narben zurückbleiben, ist eine interdisziplinäre Behandlung wichtig. / Foto: Getty Iamges/Peter Dazeley
Im Alltag begegnen Verbrennungen hauptsächlich als oberflächliche Hautschäden, die ohne größere Narben abheilen. Schwere Verbrennungen, die die Haut und darunter liegende Gewebe betreffen und zu bleibenden Schäden führen, sind zum Glück selten. Sie können Patienten stigmatisieren und schlimmstenfalls lebenslang einschränken.
Thermische Verletzungen sind besondere Herausforderungen, da für jeden Patienten individuelle Lösungen erforderlich sind. Empfehlungen für die Behandlung finden sich in der AWMF-S2k-Leitlinie »Behandlung thermischer Verletzungen des Erwachsenen«, die die Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV) 2021 veröffentlicht hat (1), und in der mittlerweile abgelaufenen Leitlinie »zur Behandlung thermischer Verletzungen im Kindesalter (Verbrennung, Verbrühung)« aus dem Jahr 2015 (3).
Unter den Verbrennungsopfern machen Männer mit 71 Prozent der Betroffenen die Mehrheit aus. Knapp 10 Prozent sind Kinder unter zehn Jahren, während Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren etwas seltener betroffen sind (rund 6 Prozent). Der Altersgipfel liegt bei Erwachsenen zwischen 20 und 59 Jahren mit fast 60 Prozent, gefolgt von der Altersgruppe über 60 Jahren mit etwa 25 Prozent. Diese Angaben aus der Leitlinie widersprechen der verbreiteten Annahme, dass hauptsächlich kleine Kinder von Verbrennungen betroffen sind.
Etwa zwei Drittel der Verletzungen ereignen sich im häuslichen Umfeld. Direkte Flammeneinwirkung (52 Prozent) und Verbrühungen (23 Prozent) sind die häufigsten Ursachen. Bei Kindern machen einer Untersuchung aus 2005 zufolge Verbrühungen mit heißem Wasser sogar mehr als 70 Prozent aus. Sie können durch den Kontakt mit heißen Getränken, heißem Leitungswasser oder Speiseöl, Dampf oder heißen Gasen auftreten.
Chemische Substanzen wie Säuren oder Laugen können zu ähnlichen Gewebeschädigungen wie Verbrennungen führen. Hier spricht man von einer chemischen Verbrennung oder Verätzung (Tabelle 1) (1–3).
Kategorie | Ursache | Merkmale | Ersthilfe |
---|---|---|---|
Verbrennung | trockene Hitze (Flammen, Strahlung) | Rötung, Blasenbildung, Schmerzen, möglicherweise verkohlte Haut | Kühlung der betroffenen Stelle mit lauwarmem Wasser, sterile Abdeckung, ärztliche Behandlung bei schweren Verbrennungen/Verbrühungen |
Verbrühung | Kontakt mit heißen Flüssigkeiten oder Dampf | Rötung, Blasenbildung, Schmerzen, möglicherweise geschwollene Haut | Kühlung der betroffenen Stelle mit lauwarmem Wasser, sterile Abdeckung, ärztliche Behandlung bei schweren Verbrennungen/Verbrühungen |
Verätzung | Kontakt mit ätzenden Substanzen (Säuren, Laugen) | sofortige Zerstörung von Haut- und Gewebezellen, möglicherweise weißliche Verfärbung, Schmerzen | Spülen der betroffenen Stelle mit viel Wasser, Entfernen kontaminierter Kleidung, Notruf (112), ärztliche Behandlung |
Bei Verbrennungen, Verbrühungen und Verätzungen entscheiden oft die ersten Sekunden und Minuten über das Ausmaß der Schäden. Um die Hitzeeinwirkung zu stoppen, werden heiße oder gar brennende Kleidungsstücke sowie glühender Schmuck entfernt. Sie fungieren als Hitzespeicher.
Wenn Stoff an der Haut klebt, werden die umgebenden Stücke abgeschnitten. Ersthelfer sollen jedoch nicht versuchen, auch den auf der Haut haftenden Stoff zu entfernen, um weitere Verletzungen zu vermeiden.
Ein Schock für alle Beteiligten ist es, wenn eine Person Feuer gefangen hat. Sie läuft meistens panisch weg und Ersthelfer müssen sie einfangen. Um das Feuer zu ersticken, eignet sich am besten eine Löschdecke, die um den Verletzten gewickelt wird. Alternativ kann das Feuer mit Wasser oder einem Feuerlöscher (kein CO₂-Löscher) gelöscht werden. Den Feuerlöscher dürfen die Helfer dabei nicht aufs Gesicht oder den Kopf der brennenden Person richten (1, 4, 5).
Brandgefährlich – im wahrsten Sinn des Wortes / Foto: Adobe Stock/RioPatuca Images
Verätzungen ereignen sich besonders häufig im Labor. Im Haushalt sind Reinigungsmittel eine Gefahr. Auch hier gilt es, als Erstes den Auslöser zu entfernen, meist indem die Chemikalie durch Spülen mit viel Wasser verdünnt wird. Bei Kontakt mit Säuren oder Laugen wird die betroffene Körperstelle von Kleidung befreit. Selbst ein fester Baumwollkittel schützt Laboranten nur bedingt, wenn ätzende Flüssigkeiten einwirken. Die Haut wird mindestens 20 Minuten lang unter fließendem Wasser gespült, bis ein neutraler pH-Wert erreicht ist. Beim Spülen ist darauf zu achten, dass das abfließende Wasser nicht mit anderen Körperteilen in Berührung kommt.
Bei einigen Substanzen liegen Anweisungen des Herstellers vor, was bei Unfällen zu beachten ist. Calciumoxid (Zement) beispielsweise sollte rasch abgebürstet werden, da es sich bei Kontakt mit Wasser in das alkalische und ätzende Calciumhydroxid umwandelt. Bei Natriumoxid (Rohrreiniger) ist eine lange und gründliche Spülung mit kaltem Wasser erforderlich, da der Stoff exotherm reagiert, wenn er mit Wasser in Kontakt kommt (1, 6, 7).
Über verbrannte Hautflächen geht viel Flüssigkeit verloren, das dem Blutkreislauf und den lebenswichtigen Organen nicht mehr zur Verfügung steht. Es drohen lebensbedrohliche Komplikationen wie Flüssigkeitsverlust, Schock und Organversagen.
Um die verbrannte Körperoberfläche (VKOF) abzuschätzen, hilft die Neuner-Regel nach Wallace. Für Erwachsene gilt, dass der Kopf 9 Prozent der Körperoberfläche ausmacht, die Arme je 9 Prozent, Rumpf vorne und hinten je 18 Prozent, Beine je 18 Prozent und die Anal-Genital-Region 1 Prozent (8).
Entscheidend für die Versorgung von Brandwunden sind deren Ausdehnung und Tiefe. Doch wie tief Haut und Gewebe verletzt sind, lässt sich oft nicht auf Anhieb beurteilen. Links: Brandblasen an den Fingern; rechts: Verbrennung zweiten Grades am Arm / Foto: Adobe Stock/jagroe / Getty Images/JodiJacobson
Eine Alternative ist die Handflächenregel. Laut Leitlinie bietet sie sich besonders für Kinder an oder wenn die Verbrennungen fleckig verteilt sind. Die Regel geht davon aus, dass die Fläche einer Hand inklusive der Finger etwa 1 Prozent der Körperoberfläche eines Menschen umfasst.
Um eine Verbrennung zu beurteilen, ist ferner der Verbrennungsgrad relevant. Damit ist die Ausdehnung einer thermischen Verletzung in die Tiefe gemeint (Tabelle 2). Bei Verbrühungen lässt sich die Tiefe des Gewebeschadens oft erst nach ein paar Tagen beurteilen. Gerade hier wird häufig zunächst die Fläche überschätzt und die Tiefe unterschätzt.
Auch kann von der Schmerzintensität nur bedingt auf die Tiefe der Verbrennung geschlossen werden. Bei Verbrennungen von Grad 3 und 4 werden schmerzleitende Nervenfasern zerstört. Die Bereiche sind gefühllos. Besonders starke Schmerzen sind hingegen oft mit Verbrennungen vom Grad 2A verbunden (1).
Grad | Betroffene Hautschichten und Gewebe | Symptome | Heilungsverlauf |
---|---|---|---|
1 | Epidermis (äußere Hautschicht) | Rötung, Schwellung, starker Schmerz, keine Blasenbildung | heilen meist innerhalb weniger Tage ab, ohne Narben zu hinterlassen |
2A | Epidermis und ein Teil der Dermis | Rötung, Blasenbildung, feuchter hyperämischer Wundgrund, Hautanhangsgebilde intaktstarker Schmerz | heilt ohne chirurgische Intervention in 7 bis 14 Tagen abNarben können, müssen aber nicht entstehen |
2B | tief dermal, partiell Haarfollikel und Schweißdrüsen-Ausführungsgänge | Blasenbildung, weißlicher feuchter WundgrundHautanhangsgebilde partiell vorhandenmäßiger Schmerz | langwierige Abheilung, Narbenbildung |
3 | Epidermis und Dermis | trockene weißliche Hautnekrose bis hin zur VerkohlungVerlust von Hautanhangsgebildenkeine Schmerzen | langwierige Abheilung, Narbenbildung |
4 | Unterhautfettgewebe, eventuell Muskeln, Sehnen, Knochen und Gelenke | VerkohlungNervenenden sind zerstört, der Bereich ist gefühllos | langwierige Abheilung, Narbenbildung |
Faktoren wie die Tiefe der Verletzung, ihre Lokalisation und ihr Ausmaß sowie der Allgemeinzustand des Patienten bestimmen, wie die Wundversorgung aussieht. Eine möglichst schmerzarme Behandlung soll eine zügige und ungestörte Wundheilung und eine narbenarme Abheilung fördern.
Eine oberflächliche epidermale Verbrennung, zum Beispiel ein Sonnenbrand oder eine leichte Verbrühung, erfordert keine antimikrobielle Therapie oder einen Verband. Es reicht in der Regel aus, pflegende Salben oder Feuchtigkeitscremes aufzutragen, um die intakte, aber schmerzhaft gerötete Haut abzukühlen. Für diesen Zweck ist im besten Fall Brandgel oder -creme in der Hausapotheke vorrätig und wird mit gereinigten Fingern messerrückendick aufgetragen. Gegen Schmerzen können Patienten Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen einnehmen.
• Brandverletzt: Der Weg zurück ins Leben
Oberflächliche zweitgradige Verbrennungen wie eine Verbrühung mit heißem Wasser, bei der sich über einer nassen, rosafarbenen und schmerzhaften Dermis Blasen bilden, erfordern einen Verband, um Flüssigkeit aufzunehmen, Mazeration zu vermeiden und die Wunde vor äußeren Einflüssen zu schützen. Davor wird die Wunde mit Desinfektionsmittel gereinigt.
Die meisten Wundauflagen (etwa Paraffingaze oder hydroaktive Wundauflagen) werden mit einem Pflasterstreifen oder Mullbinden fixiert; eine Ausnahme sind zum Beispiel die selbstklebenden Hydrokolloide. Transparente Folienverbände ohne Wundauflage aus Polyurethan sind nur für geringfügige Verbrennungen geeignet, da sie kein Exsudat aufnehmen. Sie erlauben allerdings ein gutes Monitoring der Verletzung.
Wenn kein Verbandmaterial verfügbar ist, kann man Frischhaltefolie verwenden, um die Wunde zu schützen, Schmerzen zu lindern und das Aussehen der Wunde für eine spätere ärztliche Begutachtung nicht zu verändern. Die Folie ist in nahezu jedem Haushalt vorhanden und erhöht Untersuchungen zufolge nicht das Infektionsrisiko (1, 9, 10).
Ab 5 Prozent verbrannter Körperoberfläche ist es indiziert, den Notruf zu tätigen. Die verletzte Person wird bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes betreut und ein Ersthelfer überprüft regelmäßig die Vitalfunktionen. Da die Haut ihre wärmeisolierende Fähigkeit verloren hat, wird der Patient mit einer Rettungsdecke warmgehalten und am besten in einem vorgewärmten Rettungswagen transportiert.
Bei Verdacht auf ein Inhalationstrauma, zum Beispiel durch Brandgase, sollten die Patienten in spezialisierten Zentren versorgt werden. / Foto: Adobe Stock/Marcel Paschertz
Bei schwereren Verletzungen ist der Patient in einem spezialisierten Zentrum für Brandverletzte am besten aufgehoben. Das ist zum Beispiel der Fall bei Verbrennungen Grad 2 von 10 Prozent und mehr der Körperoberfläche, Verbrennungen Grad 3, Verbrennungen an Händen, Gesicht oder Genitalien, Verbrennungen durch Elektrizität, einschließlich Blitzschlag, und bei Verätzungen durch Chemikalien.
Eine weitere Indikation für eine Behandlung im Verbrennungszentrum ist ein Inhalationstrauma. Anzeichen dafür sind Verbrennung des Gesichts, versengte Gesichts- und Nasenbehaarung, Ruß im Gesicht oder im Sputum sowie Zeichen der Atemwegsobstruktion.
Die Zentren für Brandverletzte in Deutschland sind bei der Zentralen Anlaufstelle für die Vermittlung von Krankenhausbetten für Schwerbrandverletzte in Hamburg gemeldet und auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (www.verbrennungsmedizin.de) verzeichnet. An der Behandlung sind in den Zentren plastische Chirurgen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Orthopädietechniker und Psychologen beteiligt (1).
Foto: BVA
Mehr als ein Fünftel aller Augenverletzungen sind Verätzungen. Sie treten hauptsächlich bei Arbeitsunfällen auf, sind jedoch zunehmend auch in häuslicher Umgebung oder als Folge von Angriffen zu beobachten.
Die Symptome sind unspezifisch und stehen nicht unbedingt mit der Schwere der Verletzung im Zusammenhang. Um bleibende Schäden möglichst zu vermeiden, müssen der Betroffene und der Ersthelfer sofort richtig reagieren. Sobald die Chemikalie ins Auge gelangt ist, wird mit sauberem lauwarmen Wasser oder einer Augenspüllösung gespült. Das verdünnt die Chemikalie und entfernt sie.
Dem Arzt helfen Informationen zur Art der Chemikalie. Dazu können die Packung, Fachinformation oder das Sicherheitsdatenblatt mitgebracht werden. Cortisol-haltige Augentropfen können die Entzündung reduzieren und weiteren Gewebeverlust verhindern. Die Dosierung sollte der Schwere der Verätzung angemessen sein, mit einer initialen Anwendung bei schweren Verätzungen bis zu stündlich.
Bei Epitheldefekten besteht Infektionsgefahr. Daher können antibiotische Augentropfen angezeigt sein. Benetzende Augentropfen fördern die Epithelialisierung und können das Wohlbefinden des Patienten verbessern. Augensalben mit Dexpanthenol bedecken die Augenoberfläche mit einem lindernden Salbenfilm. Lokale Ophthalmika sollten phosphatfrei und ohne Konservierungsmittel sein, um weitere Reizungen zu vermeiden. Welche Präparate im Einzelfall geeignet sind, legt der Augenarzt fest.
Bei mittelgradigen bis schweren Verätzungen können Vitamin-C-Augentropfen (10 Prozent, stündliche Gabe) oder die orale Einnahme von Vitamin C (1 bis 2 g, bis zu viermal täglich bei Erwachsenen) die Abheilung unterstützen.
Bei Hornhauteinschmelzung sind Antibiotika wie Doxycyclin oder Tetracyclin oder Makrolide eine Option. Sie reduzieren unabhängig von ihren antimikrobiellen Eigenschaften die von Matrix-Metalloproteinasen (MMP) initiierten Degradierungsprozesse von Kollagen Typ I.
Quelle: S1-Leitlinie »Akute Verätzung am Auge«; AMWF-Reg. Nr. 045-018; Stand 2021
Ausmaß und Tiefe der Verletzung entscheiden nicht nur über die Erstversorgung, sondern auch über die weitere Therapie. Mitunter sind chirurgische Maßnahmen erforderlich. Bei einem operativen Debridement werden Fremdkörper entfernt sowie infiziertes und abgestorbenes Gewebe abgetragen.
Ist die Wunde infektionsfrei, kann eine Hauttransplantation die Heilung verbessern. Dazu entnimmt der Chirurg ein Stück Haut von einem unversehrten Körperbereich, häufig dem Oberschenkel. Das Transplantat kann er mit dem vorhandenen Gewebe am Defekt vernähen oder es mit einem Druckverband fixieren. Die häufigste Art der Hauttransplantation ist die Spalthauttransplantation. Hier werden die Epidermis und die oberen Schichten der Dermis verwendet (1, 13).
Brandwunden sind dynamisch und verändern ihr Aussehen, insbesondere in den ersten 48 Stunden. Das Verbandmaterial wird stets so ausgewählt, dass es zum Zustand der Wunde passt.
Hydrokolloide haben eine Matrix aus einem quellfähigen Mittel und eignen sich für Verbrennungen mit geringer bis mäßiger Exsudation. Hoch saugfähige Schaumverbände sind bei stark exsudierenden Verbrennungswunden eine Option.
Alginate sind hoch saugfähige, biologisch abbaubare Verbände, die aus Algen gewonnen werden. Sie können auf feuchtem granulierenden Gewebe oder kleinen oberflächlichen Verbrennungsarealen angewendet werden. Alginate werden bei Kontakt mit Wundexsudat zu einem Gel.
Hydrogele sind hydrophile interaktive Verbände mit sehr hohem Wassergehalt. Sie können Feuchtigkeit spenden, trockenen Schorf oder nekrotischen Belag rehydrieren und Exsudat absorbieren (12).
Verbrennungsschmerzen gehören zu den stärksten traumatischen Schmerzen; häufig sind sie die Hauptbeschwerden der Patienten. Dabei korreliert die Intensität nicht immer mit dem Verbrennungsausmaß. Zur Linderung kommen gemäß Leitlinie Analgetika, Adjuvanzien und nicht pharmakologische Methoden zum Einsatz.
Die medikamentöse Schmerztherapie orientiert sich am WHO-Stufenschema, wobei Nichtopioid-Analgetika die Basis bilden und bei Bedarf mit schwachen oder starken Opioiden kombiniert werden. Bei Verbandwechseln kann eine zusätzliche Analgesie erforderlich sein.
Schwerbrandverletzte müssen intensivmedizinisch betreut werden. Wichtige Maßnahmen sind die Flüssigkeitssubstitution und die Analgesie. / Foto: Getty Images/SDI Productions
Die wichtigsten Vertreter der Nichtopioid-Analgetika sind Metamizol, Paracetamol und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR). Bei Metamizol ist das Risiko einer Agranulozytose zu berücksichtigen. Bei NSAR ist gerade bei Verbrennungspatienten auf die mögliche Verschlechterung der Nierenfunktion und das Blutungsrisiko zu achten. Paracetamol weist im Vergleich zu den anderen Substanzen die geringste analgetische Potenz auf und kann die Leber schädigen.
Alle gängigen Opioide können verwendet werden, wobei laut der Leitlinie keine Einzelsubstanz einen eindeutigen Vorteil bietet. Allgemeine Probleme im Zusammenhang mit der Opioidtherapie umfassen die Entwicklung einer Opioidtoleranz, Opioid-induzierte Hyperalgesie und gastrointestinale Motilitätsstörungen. Antiemetika und Laxanzien können ergänzend zur Schmerztherapie gegeben werden.
Zu beachten ist die erschwerte Dosierung bei Schwerbrandverletzten. Proteinverluste und Veränderungen des Gesamteiweiß-Haushalts verändern die Plasmaproteinbindung von Arzneistoffen. Ödeme und Flüssigkeitssubstitution verschieben das Verteilungsvolumen in den Extrazellulärraum. Organe werden bei einer Hypothermie minderdurchblutet, sodass die Metabolisierung und Elimination von Arzneistoffen verlangsamt sein kann (1).
Welche weiteren Substanzen den Heilungsverlauf unterstützen könnten, ist noch unklar. Diskutiert wird zum Beispiel die hoch dosierte intravenöse Gabe von Vitamin C. Die Maßnahme kann bei Verbrennungen von mehr als 25 Prozent der Körperoberfläche erwogen werden, um den oxidativen Stress zu reduzieren, Mikrozirkulationsstörungen zu verbessern und die endotheliale Barrierefunktion aufrechtzuerhalten.
Einige Studien deuten darauf hin, dass Vitamin C die Mortalität der Patienten reduzieren könnte, allerdings ist der Nutzen noch nicht ausreichend bestätigt. Die optimale Dosis und Therapiedauer sind ebenfalls nicht eindeutig geklärt. Die Leitlinienautoren kamen daher 2021 zu dem Schluss, dass die begrenzte Datenlage derzeit keine generelle Empfehlung für den Einsatz von Vitamin C erlaube (1, 11).
Die Rolle von Low-dose-Hydrocortison ist ebenfalls unklar. Zwar haben einige Studien günstige Effekte in der Schockphase nach Verbrennungsverletzungen gezeigt, zum Beispiel niedrigere Spiegel proinflammatorischer Zytokine und einen geringeren Bedarf an Adrenalin. Die Applikation empfehlen die Autoren der Leitlinie derzeit nur bei nicht zu stabilisierendem Schock (1).
Umstritten ist auch, wie mit Blasen umzugehen ist. Es gibt Gründe dafür, die abgestorbene Blasenhaut zu entfernen. Zum einen stellt sie einen potenziellen Infektionsherd dar. Zum anderen kann die Ansammlung von Flüssigkeit unter der intakten Blasenhaut auf die darunter liegende Dermis drücken. Das kann die Durchblutung verringern und möglicherweise die Wunde verschlimmern. Ob ein Debridement der Blase angezeigt ist, entscheidet im Einzelfall der Arzt (12).
Quälend für Patienten kann ein durch die Verbrennung ausgelöster persistierender Juckreiz sein. Antihistaminika und Antikonvulsiva wie Pregabalin und Gabapentin werden zur Linderung eingesetzt. Noch unklar ist der Nutzen einer lokalen Anwendung von Doxepin-Salbe. Es gibt Hinweise, dass diese wirksamer als orale Antihistaminika sein könnte. Botulinum-Toxin A, Naltrexon und die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) könnten weitere Behandlungsmöglichkeiten sein (13).
Foto: Getty Images/Luis Diaz Devesa
Damit sich Narben möglichst gut entwickeln, sollte das Apothekenteam dazu beraten, wie die Stellen zu pflegen sind. Zur Reinigung eignen sich Wasser und eine milde pH-neutrale Seife. Am Anfang sind fettende, später feuchtigkeitsspendende Produkte empfehlenswert.
Besondere Sorgfalt und Ausdauer bei der Pflege erfordern Narben nach Hauttransplantationen. Die Kompressionsbehandlung mit Lang- oder Kurzzugmaterialien beginnt bei stabil eingeheilten Transplantaten. Patienten tragen die Hilfsmittel mindestens 23 Stunden pro Tag und so lange, bis die Umwandlungen im Gewebe abgeschlossen sind (Narbenreife). Eine Silikonbehandlung kann die Kompressionsbekleidung ergänzen. Narbenmassagen lockern und entstauen das Gewebe.
In der Apotheke gibt es Narbensalben oder -gele mit Inhaltsstoffen wie Silikon, Vitamin E oder Allium-cepa-Extrakt. Sie können helfen, das Erscheinungsbild von Narben zu verbessern. Weiterhin kann eine frisch verheilte Epidermis eine erhöhte Melanozyten-Aktivität aufweisen, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt wird. Das Apothekenteam empfiehlt Sonnenschutz mit einem hohen Lichtschutzfaktor.
Pflegende und feuchtigkeitsspendende Cremes etwa mit Dexpanthenol halten die neu gebildete Haut elastisch. Feuchtigkeitsspende Sprays haben den Vorteil, dass die empfindliche Stelle zum Auftragen nicht berührt werden muss. Bei sehr störenden Narben kann der Arzt zu Behandlungen wie einer Lasertherapie beraten.
Quelle: S2k-Leitlinie »Behandlung thermischer Verletzungen des Erwachsenen«, 2021
Je nach Schwere der Brandverletzung müssen Betroffene danach erst wieder lernen, ins Leben zurückzufinden. Möglicherweise haben sich ihr Körper, ihr Aussehen oder ihre physischen Fähigkeiten verändert. Therapien können zum neuen Alltag gehören. Dazu zählen meist krankengymnastische Maßnahmen, die die Gelenkmobilität und -stabilisierung fördern, Weichteilstrukturen dehnen und die alltagsrelevanten Funktionen und Haltung verbessern. Die Ergotherapie hilft Brandverletzten, die für den Alltag erforderlichen Fähigkeiten wieder zu erlernen.
Angehörige, aber auch das Apothekenteam können Patienten motivieren, Therapieempfehlungen zu befolgen, auch wenn diese unangenehm oder aufwendig sind, zum Beispiel das Tragen von Kompressionswäsche oder regelmäßige Übungen zur Rehabilitation.
Grazi Lisciotto, der bei einem Hausbrand schreckliche Verbrennungen erlitten hat, arbeitet jetzt für die Peter Hughes Burn Foundation in Australien und bietet Beratung für die Opfer von Buschbränden. / Foto: Getty Images/Ashley Cooper
Bei Narben an sichtbaren Stellen oder dem Verlust von Gliedmaßen kann der Umgang mit den Reaktionen anderer Menschen eine Herausforderung darstellen. Schwerbrandverletzte Patienten haben nicht nur deswegen ein erhöhtes Risiko, sowohl akute als auch dauerhafte psychische Störungen zu entwickeln. Dazu zählen Depressionen, Alkohol- und Substanzmissbrauch, Phobien und andere Angststörungen. Albträume oder Flashbacks an das traumatisierende Ereignis können ebenso quälen wie der Verlust eines Freundes oder Familienmitglieds oder von Besitztümern im Feuer.
Eine ganzheitliche Versorgung von Patienten mit Brandverletzungen berücksichtigt daher die psychische Gesundheit. Bei betroffenen Kindern kann Paulinchen – Initiative für brandverletzte Kinder helfen. Themen wie Sexualität und Partnerschaft können belasten und zum Tabu werden.
Hilfreich sind oftmals Informationen über ambulante Psychotherapiemöglichkeiten und Selbsthilfegruppen. Das Apothekenteam kann Kontaktdaten von örtlichen Gruppen anbieten (1).
Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach der Approbation absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.