»Der Preis ist nicht alles« |
Melanie Höhn |
04.04.2024 14:30 Uhr |
Sieht bisher lediglich »Anzeichen« einer sich ändernden Preispolitik in Deutschland: Sandoz-Vorstandschef Richard Saynor. / Foto: picture alliance/KEYSTONE
Drei Jahre Corona-Pandemie und der andauernde Krieg in der Ukraine haben den globalen Handel empfindlich gestört. Um seine Lieferketten zu stabilisieren, produziert das Pharmaunternehmen Sandoz derzeit »unter Volllast« in Europa und hat mehr als eine halbe Milliarde Euro in neue Anlagen in der EU investiert, erklärte Vorstandschef Saynor in einem heute veröffentlichten Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« (SZ).
Zudem gebe es für viele kritische Medikamente des Unternehmens nicht nur einen, sondern inzwischen mindestens zwei Wirkstofflieferanten. Mehrere Lieferanten bedeuteten jedoch steigende Kosten und mehr Komplexität. »Die Regierungen müssen entscheiden, was wichtiger ist: der niedrigste Preis oder eine größere Liefersicherheit. Es muss einen Preismechanismus geben, der auch größere Liefersicherheit honoriert«, forderte Saynor. Derzeit könne der Konzern den vollen Marktbedarf bei Antibiotika nicht abdecken.
Deutschland sei der größte Markt in Europa für Sandoz, in Holzkirchen werden Wirkstoffpflaster hergestellt und in Barleben rund zehn Milliarden Tabletten jährlich produziert. Bisher sieht Saynor aber lediglich »Anzeichen« dafür, dass sich hierzulande hinsichtlich der Preispolitik etwas ändert. Zwar seien die Kinderarzneimittel-Preisregeln im Lieferengpassgesetz gelockert worden, doch »der Preis ist nicht alles. Es gibt andere Mittel. Manche Länder zahlen einen Ausgleich, wenn wir größere Lagerbestände vorhalten. Lagerhaltung kostet nun mal Geld«, so Saynor weiter.
Im österreichischen Kundl, wo der Konzern vom Wirkstoff bis zur Tablette Antibiotika herstellt, habe Sandoz staatliche Zuschüsse in Höhe von 50 Millionen Euro für neue Produktionstechnologien erhalten. »In den Ausschreibungen der Krankenkassen in Deutschland müssen auch andere Kriterien stärker gewichtet werden, zum Beispiel, ob ein Produkt in Europa hergestellt wird. Wenn alle nur gucken, wer der Billigste ist, dann gibt es keine Liefersicherheit«, kritisierte er in der SZ.
Die Lieferketten sind laut Saynor aus einigen Gründen nicht stabil. Unter anderem deshalb, weil viele der Wirkstoffe und komplette Medikamente aus Indien stammen und es dort aufgrund von Werkskontrollen zu Werksschließungen komme. So könne es passieren, dass über Nacht die Hälfte der Lieferungen wegfalle: »Kein Lieferant kann seine Kapazitäten über Nacht mal eben verdoppeln, um die Lücke zu schließen. Und das passiert ständig - bei Antiinfektiva, bei Krebsmitteln, Medikamenten zur Behandlung von ADHS, Hormonersatztherapien«.
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