Der Patient entscheidet – und wenn nicht? |
Brigitte M. Gensthaler |
20.03.2024 11:00 Uhr |
Eine gute Palliativtherapie kann das Leben schwer kranker Menschen erleichtern. Doch oft geht es auch darum, vorhandene Therapien zu beenden oder auf neue Maßnahmen zu verzichten. / Foto: Getty Images/Westend61/Albrecht Weisser
Mit ethischen Fragen in der Palliativmedizin und am Lebensende befasste sich Professor Dr. Jan Schildmann vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Halle, kürzlich beim Frühjahrskongress der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Dabei unterschied er die Therapiebegrenzung, also den Verzicht oder die Beendigung einer Therapie und somit das »Sterbenlassen«, von Therapien am Lebensende. Diese umfassen die medizinisch angezeigte Palliativtherapie, die sehr selten auch zur unbeabsichtigten Verkürzung der Lebenszeit führen könne.
Während die Tötung auf Verlangen in Deutschland strafbar ist, ist die Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid) nicht mehr strafbar. Entscheidend sei, dass die Tatherrschaft bei der sterbewilligen Person liegt, betonte Schildmann.
Grundsätzlich gilt für jede Therapie und jede Begrenzung: »Nur bei gegebener Indikation und Einwilligung des Patienten dürfen Ärzte handeln. Dabei müssen sie auch vermeintlich unsinnige Entscheidungen des Patienten akzeptieren«, sagte der Internist. Die Einwilligung abzuklären, sei oft eine Herausforderung, denn häufig äußerten sich Patienten ambivalent oder ihre Einwilligungsfähigkeit, ihre Patientenverfügung oder Aussagen von Stellvertretern seien unklar.
Natürlich dürften Ärzte nur wirksame Verfahren anbieten, aber es sei nicht immer klar, ob und welche Therapie im akuten Fall wirksam ist. Diese Entscheidung unterliege ebenso wie die Frage nach dem Nutzen-Schadens-Verhältnis Werturteilen. Wenn es unterschiedliche Werturteile im Behandlungsteam gibt, müsse dies mit dem Patienten diskutiert werden.
Als Spezialfall der Therapien am Lebensende nannte der Ethiker die palliative Sedierung, die in der letzten Lebensphase eine Option als Ultima ratio sein kann. Man unterscheide potenziell sedierende Medikamente, die ohne Sedierungsabsicht, zum Beispiel zur Beruhigung, Anxiolyse, Analgesie oder Antiemese, gegeben werden, vom »gezielten Sedieren« zum Zweck der Leidenslinderung oder -vermeidung. »Dieser Begriff stellt klar, dass das verringerte Bewusstsein gezielt medizinisch herbeigeführt wird, um ein zuvor gefasstes Behandlungsziel zu erreichen«, betonte der Arzt.
In der Regel gehe es darum, unerträgliches Leiden an therapierefraktären Symptomen zu lindern – durch Reduktion des Bewusstseins. Dabei sei zu entscheiden über Tiefe und Dauer der Sedierung. Angesichts der herausfordernden ethischen Situation hat die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) 2021 gemeinsam mit dem Forschungsverbund SedPall Handlungsempfehlungen zum »Einsatz sedierender Medikamente in der Spezialisierten Palliativversorgung« veröffentlicht.