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Arzneistoff-Metabolismus

Der Beitrag der Darmbakterien

Die Bakterien im menschlichen Darm können bei einer Pharmakotherapie entscheidend mitmischen, indem sie Wirkstoffe metabolisieren. Was genau das Mikrobiom da tut, lässt sich mit einem neu entwickelten System nachvollziehen – und vielleicht auch vorhersagen.
Annette Rößler
12.06.2020  11:48 Uhr

Oral verabreichte Arzneistoffe können nicht erst nach der Aufnahme aus dem Darm, sondern bereits vorher metabolisiert werden, und zwar von den Darm-Mikrobiota. Wie genau die Bakterien im Darm einzelne Arzneistoffe chemisch modifizieren, ist jedoch schwierig zu bestimmen, da in verschiedenen Bakterien unterschiedliche Reaktionen ablaufen können. Zudem ist das Mikrobiom komplex zusammengesetzt, schwierig in Kultur zu bringen und bei jedem Menschen einzigartig – alles Gründe, die eine systematische Untersuchung des Beitrags der Darm-Mikrobiota zum Arzneistoff-Metabolismus bislang verhindert haben.

Versuche mit isolierten Bakterienstämmen, die typischerweise im Darm vorkommen, haben jedoch gezeigt, dass dieser Beitrag aller Wahrscheinlichkeit nach sehr groß ist und dringend besser quanti- und qualifiziert werden sollte. Im Fachjournal »Cell« stellt nun eine Gruppe um Bahar Javdan und Jaime Lopez von der US-amerikanischen Princeton University ein Testsystem vor, mit dem dies möglich sein könnte: den Microbiome-Derived Metabolism (MDM)-Screen.

Der wichtigste Bestandteil des MDM-Screens ist ein optimiertes Kultursystem, mit dem sich das Darm-Mikrobiom eines Menschen relativ verlustfrei im Labor kultivieren lässt, wie die Forscher an Proben von 21 Spendern zeigen konnten. In einer der Spender-Kulturen versuchten sie anschließend, die Metabolisierung von 575 zugelassenen Arzneistoffen einzeln nachzuvollziehen. Von diesen erwiesen sich jedoch 137 als für die Analyse ungeeignet.

Breite Palette an Wirkstoffen

Von den 438 letztlich untersuchten Arzneistoffen erfuhren 57 (13 Prozent) eine chemische Modifikation durch die Darm-Bakterien. Die Palette dieser Wirkstoffe war mit 28 pharmakologischen Klassen sehr breit gefächert und umfasste unter anderem antiinflammatorisch beziehungsweise hormonell wirksame Steroide, Antibiotika, Psychopharmaka, Virostatika, Antiparkinson-Mittel, Immunsupressiva und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR). Einige der dokumentierten chemischen Reaktionen waren bereits früher beschrieben worden, etwa die Reduktion der Nitrogruppe bei dem Muskelrelaxans Dantrolen, dem Antiepileptikum Clonazepam und dem Antihypertensivum Nicardipin, die Hydrolyse der Isoxazol-Struktur beim Antipsychotikum Risperidon sowie die Reduktion der Azogruppe beim Entzündungshemmer Sulfasalazin (durch die dieses Prodrug aktiviert wird).

Daneben identifizierten die Forscher weitere 45 Metaboliten, die zuvor noch unbekannt gewesen waren und deren Zustandekommen zum Teil zwei Reaktionsschritte erforderte, etwa 20β-Dihydrocortison, Deglykocapecitabin, 7α-Thiospironolacton und N-Acetylaminotolcapon. Zudem wurden zehn Arzneistoffe so vollständig metabolisiert, dass sie nicht mehr nachweisbar waren, darunter Bisacodyl, Azathioprin und Allopurinol.

Anhand von 23 Arzneistoffen testeten die Forscher anschließend, ob sich die Metabolisierungsmuster zwischen den Mikrobiota verschiedener Spender unterschieden. Dies war teilweise der Fall: Bei Ketoprofen und Levonorgestrel gab es Unterschiede bezüglich des Arzneistoff-Abbaus, bei Misoprostol, Nicardipin und Spironolacton bezüglich der Entstehung von Metaboliten und bei Capecitabin, Digoxin, Hydrocortison, Lovastatin und anderen bei beidem.

Ihr Testsystem könnte dazu beitragen, die Rolle des Darm-Mikrobioms bei der Metabolisierung von Arzneistoffen besser zu erforschen, schließen die Autoren. Dies sei streng genommen nicht nur für oral verabreichte Wirkstoffe relevant, sondern auch für Parenteralia, wenn diese biliär ausgeschieden würden.

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