Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben |
Ev Tebroke |
01.09.2025 18:00 Uhr |
Bei dem vom Sterbewilligen gewählten Termin sind beide Begleitungen vor Ort. Die meisten Menschen möchten zu Hause aus dem Leben scheiden. Auf Wunsch sind oft auch Angehörige anwesend. Die Ärztin oder der Arzt bringt das tödliche Medikament mit sowie die nötigen Verbrauchsmaterialien. Die letzten Formalien werden erledigt, etwa muss der Patient den Arzt von der sogenannten Garantenpflicht entbinden. Denn Ärzte haben grundsätzlich eigentlich die Verpflichtung, Leben zu erhalten. Und dann gibt es noch die formale schriftliche Freitodwunsch-Erklärung.
Der Arzt erfragt tagesaktuell erneut den Sterbewunsch, legt den Zugang, macht eine Probeinfusion mit Kochsalzlösung, fragt erneut, ob der Tod wirklich gewünscht ist. Dann öffnet der Sterbewillige eigenhändig den Infusionszugangshahn. Die Tatherrschaft muss beim Patienten liegen. Der Mensch schläft dann (nach einer Minute) ein, nach einer weiteren Minute setzt die Atmung aus, der Herzschlag verstummt nach etwa 5 Minuten.
Im Anschluss stellt der Arzt den Tod fest und füllt die Todesbescheinigung aus. Danach wird die Kripo benachrichtigt und den Beamten werden die Patienten-Erklärungen sowie die erstellten Unterlagen übergeben. Nach polizeilicher Prüfung wird der Leichnam dann einem Bestatter übergeben. Meistens regeln die Sterbewilligen bereits im Vorfeld, wer die Bestattung nach ihrem Tod übernimmt.
Wie heikel die Lage sein kann, wenn es rechtliche Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit oder Freiverantwortlichkeit eines Sterbewilligen gibt, zeigte unlängst der Fall eines Arztes in Nordrhein-Westfalen, der wegen verbotener Sterbehilfe wegen Totschlags verurteilt wurde und dessen Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil beim Bundesverfassungsgericht abgewiesen wurde.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie hatte einem psychisch kranken Mann aus Dorsten im August 2020 eine tödliche Infusion gelegt. Das Ventil hatte der 42-jährige Patient anschließend selbst geöffnet. Im Februar 2024 verurteilte das Landgericht Essen den damals 81 Jahre alten Arzt aus Datteln zu drei Jahren Freiheitsstrafe.
Nach Überzeugung des Essener Richters konnte der Patient aufgrund seiner schweren psychischen Erkrankung die Tragweite seines Handelns nicht erfassen und auch nicht freiverantwortlich entscheiden. Er hatte viele Jahre an paranoider Schizophrenie gelitten und dem Gericht zufolge auch gegen Wahnvorstellungen und Depressionen gekämpft. Der Arzt habe das erkannt, die Sterbehilfe aber trotzdem durchgeführt – »aus Mitleid«, hieß es damals bei der Urteilsbegründung.
Die Grenze ist klar: Der Patient muss die Entscheidung selbst fällen und er muss sich der Tragweite vollumfänglich bewusst sein. Den Weg in den assistierten Suizid rechtskonform und seriös zu begleiten, das haben sich Vereine wie die DGHS zur Aufgabe gemacht. Bislang habe noch kein einziger Fall zu einem Strafprozess geführt, betont die Organisation.
Doch der Aufklärungsbedarf ist groß, in der Bevölkerung überwiegt die Unkenntnis: Laut einer Umfrage im Auftrag der DGHS denken hierzulande immer noch 83 Prozent der Bürger, Suizidassistenz sei strafbar. Gleichzeitig spricht sich ein Großteil der Menschen (84 Prozent) für Suizidhilfe aus. »Es ist noch viel Aufklärungsarbeit in Deutschland notwendig, um das Informationsdefizit in der Bevölkerung zum Thema assistierter Suizid abzubauen«, so DGHS-Präsident Professor Robert Roßbruch.
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