Das müssen Apotheken als Betreiber von Medizinprodukten wissen |
Jennifer Evans |
13.07.2022 11:00 Uhr |
Mit der Verordnung steigt bei einigen Medizinprodukten der Dokumentationsaufwand. / Foto: ABDA
Ganz grob zur Unterscheidung gilt: Die europäische Medizinprodukte-Verordnung oder Medical Device Regulation (MDR) regelt den Weg neuer Medizinprodukte bis hin zu ihrem Einsatzort. Und die nationale Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) befasst sich mit dem Umgang gebrauchter Medizinprodukte. Bis auf das Medizinprodukt an sich haben die beiden Verordnungen ansonsten keinerlei Schnittmengen. Das hob Diplom-Ingenieur und Qualitätsmanager Thomas Ertner kürzlich hervor, als er bei einem Fortbildungsseminar der Apothekerkammer Hamburg über die neuen Regeln berichtete, die bereits zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten sind, durch die Coronavirus-Pandemie aber etwas ins Stocken gerieten.
Über die neuen Hersteller- und Meldepflichten für Apotheken im Rahmen der MDR hatte die PZ bereits ausführlich berichtet. Bei der MPBetreibV geht es aber nun in erster Linie um Tätigkeiten, die mit dem Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten in Zusammenhang stehen. Und auch darum, wo es Einschränkungen hinsichtlich der Anwendungsbereiche gibt. So gilt die MPBetreibV etwa nicht für Produkte, die jemand rein für persönliche Zwecke gekauft hat und in eigener Verantwortung anwenden möchte. Wer also beispielsweise privat ein Fieberthermometer oder ein Blutdruckmessgerät ohne ärztliche Verordnung in einem Drogeriemarkt gekauft hat, muss sich nicht um die Verordnung kümmern.
Eine Apotheke zählt laut Definition der MPBetreibV zu den Gesundheitseinrichtungen. Und jede natürliche oder juristische Person, die eine Gesundheitseinrichtung verantwortet, in der Beschäftigte ein Medizinprodukt anwenden oder betreiben, gilt als Betreiber. Das wäre dann der Apothekenleiter, dessen Offizin beispielsweise Blutdruckmessungen durchführt oder Milchpumpen verleiht.
Auch als Betreiber gelten Heilberufler, die selbst ein Medizinprodukt besitzen und dieses dann in eine Gesundheitseinrichtung mitbringen. Zum Beispiel eine Hebamme, die ihren Wehenschreiber mit in das Zuhause der Schwangeren nimmt. Und hält ein Unternehmen Medizinprodukte außerhalb einer Gesundheitseinrichtung zur Anwendung bereit wie etwa einen Defibrillator, zählt es ebenfalls zu den Betreibern und muss die Vorgaben der Verordnung einhalten.
Auch eine Krankenkasse muss als Versorgende aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verbindlichkeit den Pflichten eines Betreibers nachkommen. Doch in der Praxis stellen häufig Dritte – wie Apotheken – die Medizinprodukte für eine Kasse bereit. In dem Fall kann sie ihre Betreiberpflichten und -aufgaben laut der MPBetreibV nun auf Dritte – also eine Apotheke – übertragen. Das muss allerdings vertraglich fixiert sein.
Ertner zufolge haben zum Beispiel die DAK, die IKK Classic, die IKK Brandenburg und Berlin, die Handelskrankenkasse (hkk), die Knappschaft sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) bereits von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Gibt eine Apotheke an Versicherte dieser Kassen Medizinprodukte ab, fallen erweiterte Anforderungen an Dokumentation und Protokolle messtechnischer Kontrollen an.
Grundsätzlich dürfen nur Personen Medizinprodukte am Patienten anwenden, wenn sie die entsprechende Ausbildung, Kenntnis oder Erfahrung haben. Eine Einweisung, wie mit einem Medizinprodukt ordnungsgemäß umzugehen ist, muss sowohl der Apothekenmitarbeiter als auch dann der Kunde bei Abgabe in jedem Fall verpflichtend erhalten. Eine Dokumentation dieser Einweisung ist erforderlich, wenn es um Produkte wie Blutzuckermessgeräte, Milchpumpen, Inhalationsgeräte oder elektrische Babywaagen geht.
In diesem Zusammenhang weist Ertner auf einen interessanten Aspekt hin: Die MPBetreibV legt nicht fest, wie genau die Einweisung aussehen soll. Folglich wäre sie also auch anhand von Filmen oder Software möglich. Das hält übrigens auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) grundsätzlich für zulässig, solange der Einweisende telefonisch erreichbar ist.
Hat ein Betrieb mehr als 20 Mitarbeiter muss er einen sogenannten Beauftragten für Medizinproduktesicherheit bestimmen, der sowohl die Meldepflichten innerhalb der Gesundheitsorganisation überwacht als auch extern Kontaktperson für Behörden, Hersteller und Vertreiber ist. Meldungen über Risiken von Medizinprodukten sowie etwaige Rückrufaktionen zu koordinieren, fällt ebenfalls in seinen Verantwortungsbereich. Dazu gehören beispielsweise schriftliche Mitteilungen zu Nebenwirkungen, Fehelfunktionen, Fälschungen oder technischen Mängeln der Produkte.
Außerdem muss der Medizinprodukteberater stets auf dem neuesten Erkenntnis- und Sachstand in seinem Bereich sein. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass für diese Aufgabe grundsätzlich »eine sachkundige und zuverlässige Person mit medizinischer, naturwissenschaftlicher, pflegerischer, pharmazeutischer oder technischer Ausbildung« infrage kommt. Für die regelmäßigen Schulungen des Mitarbeiters hat dann der Apothekenleiter zu sorgen.
Ertner zählt ein paar Stichpunkte auf, was eine Apotheke im Alltag hinsichtlich der nationalen MPBetreibV beachten muss:
Zur praktischen Umsetzung der Verordnung haben auch das BMG inzwischen so viele Fragen erreicht, dass es im Netz einen Leitfaden veröffentlicht hat, der die häufigsten davon beantwortet.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.