Das fordern die Apotheker vom neuen EU-Parlament |
Jennifer Evans |
08.12.2023 07:00 Uhr |
Europawahl 2024: Europäische Verbände und Organisationen positionieren sich schon jetzt für die nächste Legislaturperiode. / Foto: Adobe Stock/Anton Sokolov
Die Arzneimittelversorgung kann nur auf ihrem hohen Niveau bleiben, wenn auch die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Betreuung durch den Heilberufler erhalten bleibt. Das macht die deutsche Apothekerschaft in ihrem Positionspapier zur Europawahl deutlich. Darin formuliert sie sechs Kernforderungen.
In der ersten geht es darum, dass die Mitgliedstaaten künftig ihren Spielraum bei der Organisation des eigenen Gesundheitswesens sowie ihrer medizinischen Versorgung beibehalten. Unter anderem soll weiterhin in der Verantwortung der EU-Länder liegen, »welches Schutzniveau sie bei der Regulierung von Gesundheitsberufen für angemessen halten«, heißt es in dem Dokument.
Der zweite Punkt befasst sich mit der verantwortungsbewussten Nutzung von E-Health-Anwendungen und Big Data. Demnach muss künstliche Intelligenz (KI) immer von der fachlichen Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker begleitet sein. Auch klare Standards, ethische Grundsätze sowie rechtsverbindliche Bewertungskriterien gehören zum Forderungskatalog des Berufsstands. Finanziell dürfe sich der Einsatz digitaler Tools nicht negativ für die Vor-Ort-Apotheken auswirken oder sie zu viel Zeit kosten, heißt es. Mit Blick auf die Anforderungen für den Europäischen Gesundheitsdatenraum müsse zudem sichergestellt sein, dass die Abfrage von Apothekendaten nur über zentrale nationale Stellen erfolgen darf. Denn nur so können aus Sicht der Apothekerschaft Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben.
Die Forderungen unter Punkt drei betreffen das von der EU-Kommission geplante Pharmapaket. Wichtig ist der Standesvertretung, dass die industrielle Herstellung weiterhin Teil der Definition eines Arzneimittels bleibt. Damit sollen negative Auswirkungen auf Rezepturen und Defekturen in Apotheken vermieden werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Ausnahmeregelung, die sogenannte »formula officinalis« (Herstellung in Apotheken auf Rezept) »tendenziell enger ausgelegt wird«. Damit würden dann im Vergleich zum aktuellen deutschen Recht sehr hohe Anforderungen gelten, die womöglich zu Versorgungslücken führen könnten.
Darüber hinaus dürfe die elektronische Packungsbeilage kein Ersatz für die gedruckte Fassung sein, heißt es. Ein Dorn im Auge sind der Apothekerschaft ebenfalls die europäischen Bestrebungen, eine Verschreibungspflicht für alle antimikrobiellen Arzneimittel einzuführen.
Viertens fordern die deutschen Apotheker von Brüssel mehr Einsatz beim Lieferengpass-Management. Unter anderem sollten in ihren Augen Hinweise auf Probleme in der Lieferkette früher erkannt werden, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Um künftig nicht mehr von nur einem Wirkstoffhersteller außerhalb Europas abhängig zu sein, erwarten sie von der EU zudem bessere Rahmenbedingungen für die Arzneimittelproduktion in Europa.
Der fünfte Aspekt stellt die freie Heilberuflichkeit in den Fokus, die es in Zukunft zu stärken gelte. Sie schütze Patienten vor rein wirtschaftlichen Interessen Dritter und diene damit der bestmöglichen Arzneimittelversorgung, heißt es.
Eine unabhängige Versorgung garantiere hierzulande außerdem der einheitliche Abgabepreis, die Apothekenpflicht sowie das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Die sechste und letzte Forderung ist daher, dieses System zu berücksichtigen sowie die deutsche Apothekerschaft bei der Abwehr von Liberalisierungstendenzen in diesen Bereichen zu unterstützen. Gemeint sind damit wohl unter anderem die von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) geplanten »Apotheken light«.